22 Juli, 2019

Awaking



Alexander von Humboldt und Aimé Bonpland am Orinoco
Bei mir daheim siehts so ähnlich aus, nur leider gibts hier keine Palmen und ich hab keinen Sextanten.
Am Morgen dieses arbeitsfreien Tages lag ich noch so halb im Schlaf. Fetzen meiner Nachtträume verdunsteten langsam und das Bewusstsein des hellen Tages war noch nicht gänzlich kondensiert.
Natürlich erinnere ich mich nicht ganz genau an alles ... 
... doch ging es irgendwie um dies:

Darwin entdeckte die Auswirkung der Spezialisierung bei den Finken auf Galapagos.
Jede Unterart bildete sich aus dem Zusammenspiel der Gegebenheiten auf der jeweiligen Insel.
Die Evolution tut eben einfach das, was notwenig ist ... emotionslos ... ausdauernd ... nachhaltig ... ohne fixe Ziele ... ausser Dem der Arterhaltung ... ohne Bewusstsein (hoffe ich doch) ... aber bewusst nachvollziehbar ...

Spezialisierung aber hat eine Achillesferse ... wenn der Grund für die Ausformung z.B. einer bestimmten Schnabelform ... entfällt, dann ist fertig lustig.


So denke ich an Adam und Eva ... die das menschliche Bewusstsein entdeckten, aber e
inen magischen Apfel vom Baum zu pflücken, das hätte nicht gereicht.
Was stattdessen passierte, so vermute ich, ist, dass der Anpassungsdruck auf die Primaten so spezifisch wirkte, weil sozusagen alle "Schnabelformen" bereits vergeben waren, dass nur noch eins blieb ... ein Hirn und ein Herz zu entwickeln. 
Ein Hirn, stark genug, es mit den anderen Arten auf zu nehmen ... sogar stärker zu werden und vom Opfer zum Täter ... zum Jäger zu werden.
Ein Herz, weit genug, sich weiterhin vom Instinkt leiteten zu lassen, aber auch den eben entstehenden Verstand und Bewusstsein zu notieren und zu lernen, zu erinnern und zu verdrängen. Ein  Herz fürsorglich genug, um dafür zu sorgten, dass wir es miteinander aushalten.

Heute heisst das "Teambildung" und kostet einen Haufen Geld um die rundliche Frau Meier aus dem Lohnbüro und den latent autistischen Herrn Mukowski aus dem Lager zur gedeihlichen Zusammenarbeit zu animieren.

Ehrlich gesagt ... funktioniert`s mehr schlecht als recht ... für ein paar Tage oder Wochen ... dann ist wieder alles beim Alten ... denn Meier und Mukowski sind nicht wirklich aufeinander angewiesen ... nicht natürlich und essentiell miteinander verbunden ... es gibt keinen wahrhaften Grund zur Kooperation ... es sei denn ...
... ja, es sei denn Mukowski steht auf rundlich und Meier auf autistisch ... dann allerdings ...
... dann gibts eine neue Generation von rundlichen und autistischen Mitarbeitern für Lohnbüro und Lager oder ... 
... vielleicht eine neue Frau Beethoven oder einen neuen Herrn Thunberg ... 
... eben Mutationen sind vielleicht das, was uns vermutlich dereinst den Arsch retten wird, wie schon seit plus/minus 2 Millionen Jahren.

Wenn aber die Notwendigkeit nicht da is, dann mutiert auch nix. 
Nicht, dass es keine Mutationen gäbe, die aber werden eher schief angeguckt, statt dass sie sich durchsetzen.
Es gibt heute, in der westl. Gesellschaft ... und der Osten ist brav dabei gleichzuziehen, keine Notwendigkeit mehr, sich mit Unseresgleichen  zu verbünden, denn es gibt keine Not. Wir alle sind ... mehr oder weniger ... nach ca. 16 - 26 Lebensjahren absolut in der Lage völlig allein zu leben ... niemand braucht irgendwen für irgendwas ...

"STOPP!!" schreit da jemand irgendwo innerhalb meiner eigenen Hirnschale ... "Was ist mit Liebe und Sehnsucht und Hingabe, mit der Kunst, mit Lust und Verlangen, mit Kinderwunsch und .... ?"


"ja, Mann ... is ja gut! ... entspann Dich!" versuche ich mein aufgebrachtes Sekundärgewissen zu beruhigen.

Ich hab nur gesagt, dass man nicht zwingend jemand anderen braucht! 
Aber wenn dann die Fortpflanzungshormone uns im Griff haben ... zugunsten der Arterhaltung ... dann gestehe ich zu ... kann man sich gut und gern auf dies Abenteuer einlassen.

Wer nun findet, ich wirke heute "abgeklärt", wenn nicht sogar "desillusioniert" ... 
... Dem oder Der ... muss ich, nicht all zu schweren Herzens, sagen: "Das ist genau so!"

Irgendwann ist aber auch das vorbei ... also nicht die Lust ... nicht die Hingabe ... nicht die Sehnsucht nach Schönheit - die schon grad gar nicht -* aber doch der Kinderwunsch ... einfach weil das Programm zur "Arterhaltung" sozusagen abgelaufen ist.
Liegt vielleicht dort einer der Gründe, warum wir im Alter alle ein wenig seltsam werden?
Wenn sich das Irdische langsam, aber wahrnehmbar einem Ende zuneigt, dann passieren seltsame Dinge. So wie der Eine diese gekonnt in seine verbleibenden Tage integrieren kann, so kann der dummdreistdauerresiste Zeitgenosse, z.B. die Herren Erdogan, Trump und Berlusconi, trotz sichtbaren äusserer Zeichen wie Haarverlust, nicht die Kurve kriegen, bevor der Sargdeckel sich über ihnen schliesst.

So werden wir alle, mehr oder weniger, früher oder später, zum "Lonely Sapiens", denn,wie gesagt, es gibt es ausser dem rudimentären Bedürfnis nach körperlicher Nähe eigentlich  wirklich keinen Grund mehr zur Fraternisierung mit den Artgenossen.


Aber!! ...  auch das stimmt nicht so ganz.

Die Hormone haben keineswegs aufgehört uns zu dirigieren.
Ich ... ja ich ... der alte Misanthrop ... entdecke plötzlich das ganz tief gelagerte Bedürfnis den mir zeitlich Folgenden einen Support zu geben, sie zu fördern, zu ermutigen, ihnen eine Startplattform zu geben, eine Chance  ... nennt es wie Ihr wollt.

"Das ist auch eine Form der Arterhaltung" ... mischt sich plötzlich meine weise Sofalehne ein.

Sie war seit ein paar Woche schmollend still gewesen, weil ich zum Schreiben ins Café ging, statt mich ihrer Rückendeckung zu versichern, denn ab und zu, wenn ich nicht im Job bin, muss ich halt mal runter vom Sofa und gucken, was der Rest der Welt so treibt. 

Überhaupt, gar nicht so besonders tief innen drinnen, mag ich Abenteuer und ich mag Abenteurer und darum, kurz vor Ende, ein Zitat, dass nur auf den ersten Blick nichts mit dieser Geschichte zu tun hat, von Alexander von Humboldt. 
"Am gefährlichsten sind die Weltanschauungen derer, die die Welt nie angeschaut haben"



* 
ein guter Freund liess sich vor kurzem zum Thema "Binde- Gedanken- und sonstige -striche" aus.
Sicher bin ich, der Schuljahre lang mit einer eher suboptimalen Note im Fach "Deutsch" und hier insbesondere in der deutschen (ja in Deutschland schreibt man "deutsch" als Verb, wie alle Verben klein) Grammatik und Zeichensetzung, agierte, nicht der Berufene, um gute Ratschläge zum Thema zu geben, allerdings möchte ich meine Erfahrung teilen,  dass man eine Sprache einschl. Grammatik und, eben auch der Interpunktion, nur dann richtig beherrscht, wenn man in der Lage ist, allen Dreien, ab und zu mal, gewaltig in den Arsch zu treten.


Geschrieben an div. Orten und Tagen in Luzern. Gepostet 22.7. '19 ebd