19 Juni, 2021

Foaming




Heute gibts nochmals zwei Geschichten … die auf den ersten Blick mal wieder nix miteinander zu tun haben. 
Heute aber verrate ich soviel, es geht in beiden ums Einseifen.

Die erste Geschichte … natürlich weiss ich auch mal wieder nicht, wo und von wem ich sie erzählt bekam.


Então: (português)

Irgendwo in den Weiten des Mittleren Westens trieb sich der Agent einer Ölfirma rum. 

Das mag vielleicht so in den 30ern des letzten Jahrhunderts gewesen sein.
Er machte geologische Untersuchungen, Probebohrungen und schrieb Berichte an seine Auftraggeber.


Ein Gebiet schien ihm besonders vielversprechend zu sein, alle seine Ergebnisse deuteten auf Erdöl im Untergrund hin. So besuchte er die weit auseinander liegenden Farmen in der Umgebung um mal auszuloten, ob die Besitzer ihr Land verkaufen würden … und wenn “ja” … zu welchem Preis.

 

Dazu muss man noch wissen, dass es ein paar trockene Sommer gegeben hatte, die Ernten entsprechend mager ausgefallen waren und einige Farmer an der Grenze ihrer Möglichkeiten angekommen waren.


Der Agent war nicht eben ein Menschenfreund, so versuchte er die Leute dazu zu überreden weit unter Wert ihr Land herzugeben.


Einer der Farmer, den er versuchte einzuseifen, bat ihn, ihm doch mal zu zeigen, warum er sein Land kaufen wolle, denn es war so trocken, dass es eher an eine Steppe erinnerte als an etwas von dem ein Mensch leben könnte.


So ritten die beiden bis sie zu einem der provisorischen und hastig errichteten Bohrtürme kamen, den der Agent dort installiert hatte. Er erklärte dem Farmer, dass in der weiteren Umgebung etwas Wertvolles gefunden worden sei, aber nicht auf dem Land des Farmers. Zum Beweis zeigte er ihm etwas von dem schwarzen, öligen Schlamm, den der Bohrer nach oben befördert hatte. 

“Sehen Sie!” sagte der Agent zum Farmer “Nur schmieriger Schlamm da unten - kann man nicht brauchen” 

Er täuschte ihm weiterhin vor, er brauche sein Land nur um eine Strasse drüber zu bauen um das Wertvolle, das er in anderen Gegenden gefunden hatte, abzutransportieren. 

“Aber Sie müssen nicht verkaufen … es ist ein so weites Land, ich kann meine Strasse auch woanders bauen - Ihre Entscheidung”


Der Farmer nickte und sie kehrten um. 

Unterwegs, auf einem Hügel, hielt der Farmer sein Pferd an und als der Agent neben ihm zu stehen kam, streckte der Farmer seinen Arm aus, und liess die Hand über den Horizont streichen.

“Ja” sagte er “Sie haben Recht, das ist wahrlich ein sehr weites Land” 

Dann sah er dem Agenten fadengerade in die Augen 

“Können sie sich eigentlich vorstellen, wie lange es dauert, hier eine Leiche zu finden?”


Der Agent reiste noch am selben Tag ab und ward nie wieder gesehen. 

Es kamen ein paar Sommer mit genügend Regen und ein paar Winter mit nicht all zu großer Kälte.


Oops … die Geschichte ist viel länger geworden, als ich sie in Erinnerung hatte.

So wird halt mit Leuten verfahren, die versuchen andere über den Löffel zu barbieren.


Womit wir bei der zweiten Geschichte angekommen sind.


Also:

Es gab Zeiten, da waren viele Leute arm - so arm, dass es bei einigen von ihnen kaum bis gar kein Geld gab im Haushalt. Sie lebten von dem was das Land so her gab - und das war nicht immer eben üppig und - wie die kleine Geschichte zuvor gezeigt hat - auch nicht jedes Jahr gleich viel.

Wenn es denn mal mehr gab als sofort aufgegessen werden musste, um einfach am Leben zu bleiben, dann verkauften die Menschen das auf dem Markt. 

So kamen ein paar Münzen für den Notfall ins Haus.

Manchmal wurde der Notgroschen versoffen oder manchmal musste jemand zum Doktor oder es brauchte im Winter ein paar warme Schuhe.


1. Intermezzo (português e alemão)

Als der erste Bartwuchs einen dürren, unregelmäßigen Flaum in mein Gesicht hinterliess, ich aber nicht so recht entscheiden konnte, ob ich stolz war oder mich davor gruselte, beendete meine Grossmutter das, indem sie sagte ich solle mich rasieren, denn ich sähe aus wie ein Strauchdieb.


Weiter mit der Geschichte … 

Als dann bei den Leuten etwas mehr Geld ins Haus kam … leider nicht bei allen gleich viel … da kauften die Frauen sich schöne Kleider und die Schuhe waren nicht nur mehr dazu da, sich im Winter die Füsse warm zu halten.

Die Männer, die sich bis dahin den Bart mit ihren Handwerkszeugen, z.B. der Schere zum scheren der Schafe, stutzen oder einfach mit einem Messer … gingen nun zum Barbier im Dorf.


2. Intermezzo

Nicht lange nachdem meine Grossmutter so gesprochen hatte, fuhr ich mit Freunden nach Portugal. Dort sah ich zum ersten Mal, wie sich Männer beim Barbier rasieren liessen. 

Ich setze mich dazu. Die Männer hörten auf zu reden, guckten mich an, wie man jemanden anschauen würde, der einfach in irgendein Haus reingeht und sich mit der Familie dort völlig selbstverständlich vor den Fernseher setzt oder an den Esstisch.
Nun sind die Portugiesen recht friedfertige und gastfreundliche Menschen. Sie liessen mich - ausser, dass sie mich mit einem gelegentlich Blick beäugten - in Ruhe.

Ich liess mich rasieren und Haare schneiden - mal abgesehen davon, dass niemand dort wohl Deutsch oder Englisch konnte und ich - claro que não - Portugiesisch - hätte wohl niemand mit mir gesprochen. Das war sehr unangenehm - ich war eindeutig wo reingeplatzt.


A história continua  … Weiter mit der Geschichte …   

Die Männer wurden ein wenig zu Herren, zunächst noch selber verblüfft, ob der mit Pomade nach hinten gestrählten Frisur, dem neuen, grauen Anzug, den die Frau befürwortet hatte und mit einem samtenen Slips um den glatt rasierten Hals, gewöhnten sie sich daran, sich täglich rasieren zu lassen und ein Schwätzchen mit den Kollegen auf der Wartebank zu halten während der Barbier sie einseifte.

Am Freitag liessen sie sich allwöchentlich die Haare schneiden und um sich nachher in der Bar alle wieder zu treffen auf ein oder zwei Gläschen Vinho Verde. Jeder kannte jeden und sie scherzten und foppten sich und führten ernsthafte Gespräche über Olivenbäume, Ziegen und Frauen. 

Nach den mageren Jahren machten sie nun Pläne, jeder für sich und manchmal ein paar von ihnen miteinander. Eine eingeschworene Gemeinschaft. Der Laden des Barbiers und die Bar wurden die Umschlagplätz für Gedanken, Meinungen, Geburtsorte für Intrigen und Freundschaften oder Fehden, Markt für Gerüchte und grossartige Neuigkeiten aus fernen Ländern, für Halbwahrheiten und glatte Lügen.


Wer jetzt noch geschoren wie ein Schaf, mit zerzaustem Bart und wirrem Haar sich blicken liess, der zeigte deutlich, dass er entweder nicht von “hier” war oder ein armer Hund geblieben war.


Auf “Solche” sahen sie nun herab, Solche die sie noch in dieser oder doch letztens der vorherigen Generation selber gewesen waren. Solche durften nicht mitreden, nicht mitlachen, nicht den Kellnerinen, die letztes Jahr aus der Stadt hergekommen waren, nachgucken. Die Gespräche wurden leiser, die Blicke heimlicher, wenn ein “Solcher” sich an einen der Tische setzte.


Einmal - niemand spricht gern darüber - darum weiss ich auch nicht wann es war, da kam ein “Solcher” zum Barbier, liess sich einseifen und rasieren und die Haare schneiden und trank anschliessend in der Bar ein wenig zu viel, quatschte die Herren in den grauen Anzügen an, neckte die Kellnerinnen und wurde gesehen, wie er die ehrenwerte Tochter eines der neuen Herren auf der Strasse gegrüsst hatte.

Ein paar Tage später stand ein Auto von der Polizei im Dorf. 

Ein Mann aus der weiteren Umgebung des Dorfes sei verschwunden, er war zuletzt vor der Bar gesehen worden, ein wenig zu betrunken und von zwei von den Herren untergehakt gewesen. 

Diese sagten aus, ihn zu seinem Eselskarre gebracht zu haben, mit dem er dann langsam aber zielstrebig das Dorf verlassen habe.


Den Karren fanden die Polizisten zerschmettert am Fuss eines Abhanges, von Mann und Esel fehlte jede Spur. Sie wurde nie wieder irgendwo gesehen … weder der Mann noch der Esel.

Wollte wohl auch ein Herr sein, der Strauchdieb” sagte der Barbier und spuckte auf den Boden. 


Inzwischen gibt es eigentlich keine Barbiere mehr.

Diese besondere Welt ist in einer Flut von Elektro- und Einwegrasierern untergegangen.



Foto aus dem Spielfilm-Juwel „Marketa Lazarová“



 





Strauchdiebe gibts noch immer - zum Glück.




Lasst Euch nicht einseifen