08 November, 2019

Spamming

Rechts unten im Bauch machte es mir seit Wochen weh. "Oje ... da sitzt die Leber!"
Ich dachte an die vielen Flaschen billigen Kanadischen Fusels, die ich im vergangen Jahr durch sie gefiltert hatte und machte mir Sorgen und einen Arzttermin.
Er ist war grĂŒndlich meine Arzt, tastete und ultraschallte was das Zeug hielt, kratzte sich am Kopf und grinste:
"BlÀhungen haben Sie ... einfach mal furzen" riet er mir ... und ... genau das mach ich jetzt!
Der folgende Furz klemmte mir schon seit 2 Tagen fest:
Ein gewisser Armin Kurver* veröffentlichte im hiesigen SchweizerKĂ€seblĂ€ttchen, in seiner Kolumne, die er scheinbar fĂŒr sehr witzig hĂ€lt, einen Artikel, der im beschwingten Ton startet und dann, nach dem Griff in die “Haben-wir-alle-gelacht-Mottenkiste”, zum ernsthaften Schluss kam, dass ein Angestellter, der ein wenig saumseelig beim Lesen und Beantworten seiner Mails ist und, darauf angesprochenen und kritisiert wurde, die Ausrede benutzte, da sei wohl was im Spamordner gestrandet. Eigentlich, so meint Herr Kurver, habe Jedermann doch die Pflicht regelmĂ€ssig ebendiesen Ordner zu checken.

Ich glaubs ja nicht … !!!
… nur weil irgendwelche faulen Penner diese bescheuerte Ausrede benutzen, soll nun der Rest der Welt tĂ€glich im digitalen MĂŒll wĂŒhlen? Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
"Ficken sie sich in's Knie, Herr Kurver!"


Oder … vielleicht fangen wir diese Geschichte doch etwas freundlicher und woanders an. 
Bevor ich eventuell noch ausfallend werde!


Also, erstmal tief durchatmen! 


Meine Grosseltern wurden alle so zwischen 1902 und 1910 geboren und erzĂ€hlten mir von ihrer Kindheit. Es ist etwas völlig anderes, wenn Oma und Opa sich erinnern und erzĂ€hlen und lachen, schmunzeln oder weinen oder gar drohend den Zeigefinger erheben, als wenn man das  nur in einem Buch liest oder im Fernsehen sieht.


So erzÀhlten sie mir von ihren Eltern, also meinen Urgrosseltern und ihren Geschwistern und den Tieren, mit denen sie lebten. Sie erzÀhlten von den Dörfern in denen sie wohnten, die sie verliessen um sich woanders anzusiedeln, weil es dort besser bezahlte Arbeit gab oder weil sie dorthin heirateten. Reisegeschichten und solche mit Tieren mochte ich am liebsten.


Die Geschichte vom Urgrossvater, zum Beispiel, der so im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, eine kranke Kuh, die eine Darmverschlingung hatte und seit Tagen weder frass noch kackte und zu sterben drohte, zum Tierarzt fĂŒhren wollte, ins Nachbardorf, bei strömendem Regen, wie sie durch den Bach, der angeschwollen war, waten mussten, weil es keine BrĂŒcke gab und wie die Kuh es mit der Angst bekam und bockte, am einen Ende des Seiles riss, wĂ€hrend mein Urgrossvater am anderen Ende zerrte und wĂŒtend wurde und dann versuchte das Vieh mit der Schulter zu schubsen und wie die Kuh noch mehr sich strĂ€ubte und hin und her sprang und letztlich mit dem Huf in einen der weiten Stiefel des Urgrossvater hineintrat. Der Stiefel war nun gut gefĂŒllt mit MĂ€nner- und Kuhbein, so dass beide feststecken darin.
Das hatte sehr weh getan, der Huf der Kuh auf dem Fuss des Mannes und die Kuh habe ja auch nicht still gestanden, sondern sei weiterhin herumgehĂŒpft mitsamt dem Stiefel und dem Fuss und dem Urgrossvater daran.
Vor Schmerz und Verzweiflung hatte der dann angefangen zu schreien und auf die Kuh einzuschlagen, mit den FĂ€usten, wo er eben so hingelangen konnte und da er nun mal mit dem Stiefel an das Luder seitlich gefesselt war, hauptsĂ€chlich auf dessen Bauch. Dies Gerangel und Geboxe und GehĂŒpfe sei so wohl eine Weile weiter gegangen, bis mein Urgrossvater durch sein eigenes Geschrei hindurch und trotz des rauschenden Baches und trotz des strömenden Regens ein lautes Poltern im Bauch des Rindviehs hörte.
Irgendwie habe das Tier dann versucht ihn zu beissen oder mit den Hörnern zu stoßen, jedenfalls wendete es den Kopf so ihm zu, dass der maltrĂ€tierte Mann ihr einen saftigen Schlag auf die Nase geben konnte. Dieser Schlag liess die Kuh vor Schmerz hochspringen, und dabei rutsche endlich der Kuh- vom Menschenfuss und aus dem Stiefel raus.


An die Kuh gelehnt humpelte mein Urgrossvater wieder heim, denn als altgedienter Bauer wusste er, dass das Poltern im Bauch der Kuh bedeutete, dass deren Darmverschlingung sich durch seine SchlÀge gelöst hatte und ebenso wusste er, dass sein Fuss dringend verpflegt werden musste.


ZurĂŒck zu Herrn Kurver.
FĂŒr meinen Vorschlag, mit seinem eigenen Kniegelenk Geschlechtsverkehr zu haben, möchte ich mich ernsthaft entschuldigen! Wirklich! … manchmal bin ich etwas aufbrausend … das Temperament hab ich wohl von meinem Urgrossvater geerbt.
Allerdings hĂ€tte ich da einen anderen Vorschlag fĂŒr Herrn Kurver, falls seine Hirnverschlingung sich nicht lösen sollte, wĂŒsste ich da eine probate und in unser Familie lang erprobte Behandlung.


Schönen Tag noch!
… und bitte lasst den Spam im Spamordner, das Leben ist auch so schon viehisch genug.


*Name leicht geÀndert

01 November, 2019

Smelling


Licht und Luft gaukeln uns eine Welt vor,
die letztlich nur aus Atomen und Schwingungen besteht,
der Rest ist unsere Interpretation.

Mit dem beginnenden Alter lassen die Sinne nach.
Neulichs war ich bei meiner AugenĂ€rztin, die mich einerseits mit ihrer, stĂ€ndig von einem Knöpfchen zu wenig zugehaltenen, Bluse und der zackigen Anweisung “jetzt bitte nach unten gucken” andererseits mit dem Ergebnis des Sehtests durcheinander brachte.

So brauche ich mal wieder eine neue Brille. 
Gestern also dann beim Optiker rein.
Die Lady, die mich bediente, war ordentlich zugeknöpft, ebenso in der Begegnung mit mir.
Sie versuchte immer mal wieder zu lĂ€cheln, wĂ€hrend sie mich zutextete, das erinnerte mich jedoch eher an einen Haifisch, als an etwas Menschliches. Ausserdem stank sie so dermassen nach Parfum, dass ich erst Kopfschmerzen und dann ein regelrechtes Bohren hinter den Augen bekam. 


Denn es gibt zwei Dinge, die anderen Menschen nichts oder wenig ausmachen, bei mir aber verheerend sein können. Das Eine ist vorgetĂ€uschte Freundlichkeit und das Andere aufdringliche und kĂŒnstliche GerĂŒche.*
Sie hatte beides.
Ich unterbrach ihren Redeschwall, verabschiedete mich ein wenig hastig und rannte draussen genau in Nina, eine alte Bekannte, rein. Ich hĂ€tte sie fast nicht erkannt … eben ... wirklich! … ich brauch dringend `ne neue Brille.

Nina ist voll öko und riecht nie nach Parfum, eher nach Ziege, gutem Dung und frischer Milch, denn seit ein paar Jahren lebt sie auf einem Hof.
Ausserdem ist sie nie freundlich, wenn es keinen Grund dazu gibt.
So war ich glĂŒcklich, grad sie zu treffen und umarmte sie herzlich.
Hinter ihr rage ihr Freund auf, der gefĂŒhlte 80 cm grösser ist als ich und das gleiche Raubfischgrinsen zeigte wie das der Optikerin der ich grad entkommen war.


Durch den lieblichen Landduft hindurch roch ich etwas anderes, was mich von ihm her anwehte. Eine Mischung aus frischem Blut und rostigem Metall.
Er gab mir die Hand, die sich anfĂŒhlte wie ein seit 3 Tagen totes Ferkel und fragte mich dies und das Belangloses und grinste weiter mit gefletschten ZĂ€hnen.
Nina und ich hatten keine Chance ein paar Worte zu wechseln, denn er drĂ€ngte zum Aufbruch 
“Wir mĂŒssen noch fĂŒrs ganze Wochenende einkaufen” kramte er hastig eine ErklĂ€rung hervor … auch einer von denen, die ein Mal pro Woche in der Angst leben, bis Montag zu verhungern.


Nina und ich tauschten noch einen Blick “Ein anderes Mal” sagte sie zum Abschied …
“Ja gern!”

Der Duft nach Landleben verblasste, was noch einen Moment blieb, war sein Mief von abgestandener Eifersucht.
Ich hatte plötzlich das Bild von alten rostigen, blutverschmierten Messern und Schwertern.
Das scheint nun auf den ersten Blick vielleicht ein wenig sinnlos, kapriziös oder gar durchgedreht. Aber allen die jetzt grinsend nicken, möchte ich zu bedenken geben, dass, das nĂ€chste Mal wenn mir jemand begegnet, der eifersĂŒchtig ist, ich wieder Blut und Eisen riechen werde.


Wenn ich meine Lebenslinie so anschaue, dann ist klar, dass ich dem Ende nĂ€her bin als dem Anfang … egal wie gesund ich mich ernĂ€hre, wie wenig ich saufe und mein Jing zusammenhalte, kann ich meiner unausweichlichen Auflösung in der grossen Matrix, bestenfalls noch ein paar zusĂ€tzliche JĂ€hrchen abknapsen.
Ebenso klar ist, dass die FĂ€higkeit, komplexe Situationen angemessen wahr zu nehmen und einigermassen korrekt auf sie zu reagieren in den kommenden Jahren abnehmen wird.


Wie alle Sinne lĂ€sst auch der Geruchssinn im Alter nach … oder besser gesagt, er verĂ€ndert sich.
Durch die weniger intensive Wahrnehmung von aussen, produziert er offenbar ... bei mir ... GerĂŒche die von innen kommen … also macht Reaktionen auf ganz andere als auf reale GeruchseindrĂŒcke. 
Was soll er sonst auch tun, wenn er mangels Àusserer Reize beginnt sich zu langweilen.
Sinne, die nicht mehr so recht zu brauchen sind, suchen sich ein neues, sinnvoll einsetzbares Aktionsfeld. 
WĂ€hrend mein schwĂ€chelnder Geruchssinn selber GerĂŒche generiert bastelt meine Unterbewusstsein daraus Bilder und zeigt mir diese dann wieder wenn ich in eine Ă€hnliche Situation gerate und mal nicht schnalle, was da eigentlich grad passiert.
Irgendwie wie eine interne UnterstĂŒtzte Kommunikation.
So sehr sind also Geist und Körper miteinander verwoben.


NatĂŒrlich riecht heutzutage niemand mehr wirklich nach Meuchelmord, Schlachtfeld oder Henker, aber offenbar assoziiert mein Hirn bestimmte, sagen wir mal befremdliche Verhaltensweisen mit spezifische archaischen GerĂŒchen.


So baut mein Hirn dem körperlichen Abbau vor, macht sich auf eine etwas seltsam-ĂŒberirdische Weise bereit fĂŒr die mageren, introvertierten Zeiten.



Yeeeeeha … auf in ein seltsames und lustiges Altwerden.




"Körper und Geist 
sind eng
miteinander verbunden, 
sie stehen in 
stĂ€ndigem Austausch 
miteinander." 


Ein westlicher Arzt, der eng mit dem
“Zentrum fĂŒr traditionelle tibetische Medizin” 
zusammenarbeitet. 
ARTE 24.10.`19 /  Doku der Reihe: 
360° Die Geo-Reportage 
Episodenname: Tibetische Medizin 




* ach ja, und unterirdische RĂ€ume!



geschrieben 31.10. `19 in einem Wartezimmer, gepostet nach langen, fruchtlosen Überlegungen 02. Nov. 2019