17 Mai, 2021

Colliding




Bild von https://home.cern
Bild von der Website des CERN

Eigentlich entsteht dann einen Geschichte, wenn Ereignisse miteinander kollidieren.

Also lasst uns über das Kollidieren reden!


Ausgangslage:

Das ist wie in diesem grossen Teilchenbeschleuniger, dem CERN, unter der Stadt  Genf. 

Wenn man vermutet, dass es Teilchen gibt, berechnet man sie und philosophiert darüber, aber das beweist noch gar nix … alles pure Theorie.

Also macht man ein Experiment und jagt, umhüllt von gewaltigen Magnetfeldern, atomare Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit aufeinander zu und guckt mal was so passiert wenn sie aufeinander krachen.
Auf den Monitoren sieht man dann farbige Kurven der entstanden Bosonen oder Quarks oder Neutrinos oder wie das Zeugs sonst so heißen mag.


Ganz ähnlich entstehen Geschichten.

Auch dabei muss man Teile, in dem Fall Ereignisse, miteinander kollidieren lassen.


Erste Geschichte:

- EINE THEATERBÜHNE

- ALS KULISSE EINE LÄNGLICHE AUSTELLUNGSHALLE EINES MUSEUMS

- AN DEN WÄNDEN ÖLBILDER UND MARMORBÜSTEN AUF SOCKELN


Ein älterer Mann in Morgenmantel und Pantoffeln sitzt auf einem Stuhl und sinniert offenbar vor sich hin.

Das geht so einen Weile, nix passiert.

Das Publikum beginnt sich zu langweilen - räuspern, Sitze knaacken, hier und da ein Seufzer, dann getuschelte Gespräche.


Eine Tapetentür, die bis eben verborgen war, öffnet sich langsam. Vorsichtig schaut eine eine sehr junge, schöne Frau in Halle hinein, bevor sie die Türe ganz öffnet. Sie kommt langsam herein, nur mit einem gelben Bikini bekleidet und einem Gips am Bein humpelt sie an einer Krücke an dem Mann vorbei, begrüsst ihn beiläufig mit einem flüchtigen „Guten Tag“ wie man es zu einem Fremden sagen würde, setzt sich neben ihn auf einen freien Stuhl. Die beiden reden kein weiteres Wort miteinander. Stille!

Niemand im Publikum tuschelt mehr, keine Räuspern, kein Knaaken der Sitze.


„Päng-Bumm“ die Kollision hat stattgefunden.

Auf den Gesichtern des Publikums sieht man farbige Kurven der Ratlosigkeit, des Zweifels und hier und da … ein blassblaues Lächeln.


Für die Leser:Innen, die jetzt noch mögen, gibt es eine weitere Geschichte, die nur auf den ersten Blick nix mit der vorherigen zu tun hat.


Folgende zweite Geschichte ist „nur“ nacherzählt:

Es lebten ein Bauer und seinen Hausfrau in einem kleinen Haus zwischen ihren Feldern und Weiden.

Der Bauer bauerte den lieben langen Tag draussen herum und die Hausfrau wirtschaftete derweil im Haus.

Beide hatten doch recht zu tun und so dachten sie, es wäre gut, sie bekämen ein Kind, das ihnen später, wenn sie älter würden und nicht mehr so flink wären, zur Hand gehen könnte.
Da beide vernünftige und praktisch veranlagte Leute waren, kam so ungefähr neun Monate später ein Knabe auf die Welt. 

Die Mutter lamentierte ein wenig, hatte sie doch auf ein Mädchen gehofft, dass sie im Haushalt anlernen könnte. „Oh was für ein Unglück“ murmelte sie „nun werde ich den Haushalt weiter allein bewältigen müssen“ Ihr Mann aber beruhigte sie: „Ob Glück oder Unglück - das weiss man heute noch nicht“

Tatsächlich stellte sich der Knabe recht geschickt bei der Landarbeit an und bereits als er 16 Jahre alt war, nahm er dem Vater den grössten Teil der Arbeit ab, so dass dieser der Hausfrau im Haushalt helfen konnte.

Die Eltern waren so glücklich darüber, das die Mutter rief: „Oh was für ein Glück wir mit diesem Jungen haben.“ Ihr Mann aber sagte: „Ob Glück oder Unglück - das weiss man heute noch nicht“. Jedenfalls schenkten sie, in ihrer Freude, dem Jungen ein Pferd.

Eines Tages, obwohl der Junge ein guter Reiter geworden war, fiel er vom Pferd und brach sich beide Beine.

„Oh was für ein Unglück“ rief die Mutter. Ihr Mann aber beruhigte sie: „Ob Glück oder Unglück - das weiss man heute noch nicht“

Ein paar Tage später kamen Soldaten durchs Land, die nach jungen Männern Ausschau hielten, um sie in die Armee des Kaisers zu pressen. Sie trieben die Burschen zusammen, banden ihnen ein Seil um die Hälse und nahmen sie mit. 

Den Sohn des Bauern und der Hausfrau konnten sie jedoch nicht mitnehmen, denn wer kann schon mit zwei gebrochenen Beinen und einem Seil am Hals laufen.

Die Frau wollte grad jubeln darüber, doch sie gedachte der Worte ihres Mannes und alle drei schwiegen still.


Es geht weiterhin um Kollisionen !


Die dritte Geschichte ist sehr kurz, eigentlich nur ein einziger Satz:

"ALLES SEIENDE IST EIN ANFANG"


Obwohl alle drei Geschichten zusammengehören, das vermute ich jedenfalls ohne es berechnet zu haben und ohne all zu übermässig darüber zu philosophieren, weiss ich nicht so recht wie ich es beweisen soll. 

So bleibt mir nichts, als einen Katalysator zu benutzen, der die Reaktion, zwischen den aufeinanderprallenden Teilen, beschleunigt.


Ich schliesse also meine Augen und entspanne meinen Geist, während die junge Frau im Bikini an ihrer Krücke aufsteht, dem Alten ohne Worte den Rücken kehrt, durch die lange Halle des Museums hinab humpelt und ganz in der Ferne durch eine andere, bisher verborgende, Tapententür verschwindet.

/Schnitt/

Der Sohn des Bauern und der Hausfrau findet an einem nebligkalten Morgen ein leicht bekleidetes Mädchen mit einem gebrochenen Bein auf einer seiner Wiesen. 

Er nimmt sie mit heim und stellt sie seinen Eltern vor.


„Oh was für ein Glü …“


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Die Geschichte(n) entstanden nach und nach während 2 Wochen mit Rückenschmerzen, oberhalb der schmerzenden Stelle.

Heute dann -17.5. 2021- habe ich versucht die Bruchstücke zusammenzuschweissen.