21 August, 2021

Hypnotising

Quelle: htt2ps://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/hypnose/hypnose-showhypnose-100.html


Während einige meiner Leser*Innen nun vielleicht eine weitere Liebesgeschichte erwarten, geht mir was ganz Anderes durch den Kopf.

Was selbst einige meiner besten Freunde nicht über mich wissen, ist, dass ich in den 90ern des letzten Jahrhunderts eine Ausbildung in Hypnose machte.
"Nein" das ist nicht ganz richtig, eigentlich ging es um das Gegenteil ... 
"Das Gegenteil von Hypnose??" 
"Ja!" 

Während wir alle glauben, besonders die Wichsköppe von der Querdenkenbewegung, dass wir "Frei" sind und keine Masken tragen müssen und, hier vor allem die ehemaligen OssiDeutschen sich in ihrem Nachholbedarf an falsch verstandener Demokratie, in Widerstand winden, kann ich Euch mit 60 Jahren-Plus nur Eins sagen: 
"Wer hier immer noch glaubt, er/sie sei ""frei"" der/die hat seinen/ihren Verstand schon lange an der Garderobe der ""Bühnen des wahren Lebens"" abgegeben."

"Wie ich denn dazu käme ... ??" brüllt Herr Otto Normalverbraucher aus der letzten Reihe des heute eher kläglich gefüllten imaginären Hörsaales, empört.

Ja genau ... mit Empörung fängt es an.

Heute - ich wollte die "Süsse" von der Arbeit abholten - aber auf dem Riesenparkplatz gab es nur Einen im Schatten und den auch nur wenn ich quer über 2-3 Parkbuchten parkte - was mir vom Bünzli (das ist das ist das Schweizer Synonym für Spiessbürger) - also von Hausabwart - böse Blicke einbrachte - obwohl der restliche Parkplatz (ca. 150 Stehtplätze) leer war.

Zurück zur Hypnose:
Das Gegenteil - oder sagen geschickter das Heilmittel - das Gegengift - zur Hypnose ist die Dehypose.

Natürlich glaubt die regelmässige Leser*In - noch immer dies würde eine Liebesgeschichte - wegen ... "die "Süsse" von der Arbeit abholten" ... aber ich fürchte: das wird nix.
Ich lasse mich nun infolge der Dehypnose eben nicht mehr so "zack-zack" hypnotisieren ... aber das ist eine andere Geschichte ... die ich vielleicht - In scha Allah - irgendwann anders erzähle.

Jedenfalls um beim Thema Parkplatz zu bleiben:
Wie ich also die Süsse, nach einem gemeinsamen Kafi, wohlbehalten daheim abliefere, um gleich anschliessend in das Coop-Parkhaus zu fahren, für Müllbeutel und Kekse und ein Fläschchen Gamay, sehe ich oben an der Einfahrt, dass es noch 76 freie Parkplätze hat.
So kurve ich frohgemut in die Tiefen des Gebäudes hinab, aber schon in der 2. Ebene muss ich warten, weil irgend ein Dumm-Bünzli seinen MonsterJeep in die Erste, viel zu enge Parkbucht rangieren muss.

"Alter!!!" rufe ich aus dem wegen des Tickets noch geöffneten Fensters "da unten sind noch 75 andere Parkplätze frei!" 
Aber "nein" Deppi muss sich in genau Diesen Einen zwängen - als ginge es um sein Leben - nur Diese ist die Erfüllung seiner Kinderträume (neben dem Deppi-Jeep) - nur Diese will er haben, für eben Diese fährt er 4-5 mal vor und zurück. 
Hinter dem Steuer - wir müssen ja alle warten bis Monsieur fertig ist mit seiner Selbstbefriedigung - und ich habe Zeit zum Gucken - ein braun gebrannter drahtiger Mittdreissiger, der bestimmt regelmässig ins Fitness geht und seine SitUps macht und auf dem Stepper steped.
Nur die paar Meter weiter bis zum Lift, wenn er einen der 75 anderen Parkplätze nutzt, die bringen ihn vermutlich um.

DAS ist Hypnose in Reinkultur !!

Nicht nur, das mit dem zwanghaften  "Die-erste-Parklücke-muss-ich-nehmen" sondern auch "Ich-muss-mir-n-Jeep-kaufen" und "Ich-muss-braungebrannt-sein" und "Fitness-is-gesund"

So - nu hab ich ordentlich rausgelassen!

Von diesen "Hypnotika" gibts Tausende und Abertausende.
Ich mach mal drei einfache Beispiele:
"Ich darf keine Fehler machen"                         
"Viel Geld macht viel glücklich"
"Ich muss mal wieder ans Meer"

Meine Grossmama väterlicherseits (RIP) sagte immer:
"Sterben muss ich, sonst gar nichts"

So isses!! Der Rest - meine Lieben - ist nix als Hypnose.

Ach ja ... neuste Forschungen am Hirn (so man hat) haben ergeben, dass wir unsere Entscheidungen treffen, bevor wir wissen, dass wir sie getroffen haben.



13 August, 2021

Missing II




Als ich vor 20 Jahren in das Haus einzog, in dem ich heute noch lebe, war das Nachbarhaus noch bewohnt gewesen. Die ersten 2 Jahre wohnte ich im Erdgeschoss und konnte das Haus nicht sehen von dort aus, wegen der Büsche und der Bäume im Garten. Später dann zog ich 2 Etagen nach oben und hatte nun freien Blick auf eine Wohnung im 4 Stock, hinter der grauen, in die Jahre gekommene Fassade, auf die tags dunklen und abends und nachts erleuchteten Fenster.
Es gab keine Vorhänge oder Gardinen, nur, je nach Jahreszeit versperrten mir die Zweige des alten Kirschbaumes und einer grossen Esche den gänzlich ungehinderten Blick.

In der Wohnung, in die ich hinein sehen konnte, lebte ein junges Paar. Er gross und kräftig mit dunklen, lockigen Haaren und immer gebräunter Haut. Sie kleiner und zierlich mit blonden glatten Haaren und einem Engelsgesicht - soweit das aus der Entfernung von ca. 12 Metern erkennbar war.

Die beiden schienen schon eine Weile ein Paar zu sein, denn ihre Bewegungen liefen geübt umeinander herum, sie standen sie nie gegenseitig im Weg, selbst dann nicht, wenn sie in der kleinen Küche gemeinsam kochten.

Gelegentlich hatten sie Freunde zu Besuch. Ich konnte zwar nicht in ihre Stube blicken, weil diese auf der anderen Seite des Hauses lag, aber es tauchten an diesen Tagen immer wieder lächelnde Gesichter in der Küche auf und es wurden Gläser nachgefüllt und wenn das Fenster offen stand, hörte ich viele verschiedene Stimmen und gemeinsames Lachen.
Ich dachte die beiden müssten wohl glücklich sein, denn ab und zu sah ich sie sich umarmen und küssen und manchmal in der Nacht oder am Sonntagmorgen hörte ich sie Sex machen.

So nannte ich die beiden für mich "Ginger und Fred", weil sie so geschickt umeinander herum tanzten beim Kochen in der kleinen Küche.
Ich konnte von meiner Wohnung aus auch die Eingangstüre des Hauses sehen und ich konnte sie klappen hören, wenn jemand kam oder ging. Wenn es Dunkel war, sah ich die Lichtschimmer der anderen Wohnungen zwischen den Zweigen und hörte am Tag das Husten und Gespräche und das Klopfen der Kochlöffel auf die Topfränder vor dem Mittag.
Ein ganz normales Wohnhaus in einem ganz normalen Wohnquartier in einer ganz normalen Stadt in der   ganz so normalen Schweiz.

Intermezzo:
In dem Haus in dem ich selber lebe, lebt eine Familie, deren Kinder - ein Junge und ein Mädchen - noch klein waren als ich hier einzog.
Nun sind die beiden in den 20 Jahren erwachsen geworden.  Die Tochter hat dann irgendwann geheiratet und ein Baby bekommen und ist - grad jetzt - bereits wieder schwanger.

Der Sohn lebt lange noch bei den Eltern. Er machte schon immer einen etwas dümmlichen Eindruck, läuft auch heute noch wie jemand der dumm ist herum. Nach vielen lautstarken Auseinandersetzungen in der Familie, die ich akustisch begleiten durfte, ist er dann letztlich in die Wohnung direkt neben seinen Eltern gezogen. Lebt, den Geräuschen und Gesprächen  und dem Verkehr zwischen den Wohnungen, begleitet vom ständigen Tür-Auf / Tür-Zu, nach zu urteilen,  jedoch weiterhin tatsächlich noch immer "daheim". 
Mama kocht wohl noch für ihn und nach den übervollen Wäschekörben, die sie in die Waschküche schleppt, wäscht sie auch noch seine Wäsche.
Aufgrund seiner Dümmlichkeit, die er gut sichtbar vor sich her trägt, hat ihn eine ehemalige Geliebte von mir "Dumpfbacke" getauft - was den Sachverhalt  einerseits aus meiner subjektiven Beurteilung rückt, andererseits ein Grobskizze seines Habitus vermittelt.
Also: Dumpfbacke mag inzwischen so um die 25-30 Jahre alt sein. Eines Tages sah ich eine junge Frau aus seiner Wohnung kommen, sie grüsste mich höflich und lächelte. Ich sah sie von da an öfters im Haus und ich sah sie wie sie volle Wäschekörbe in die Waschküche schleppte und identifizierte eine neue, Stimme im Familienkonzert unter mir. Dumpfbacke hatte offenbar eine Freundin. Ich freute mich einerseits für ihn, andererseits schwante mir aber auch nichts Gutes.
Es kam wie es kommen musste - eines Abends als ich von der Arbeit kam, stieg die junge Frau mit zwei Koffern in ein Taxi, während Dumpfbacke am Fenster hing und tränenüberströmt ihren Namen brüllte.

Ich neige eben einfach dazu im falschen Moment am richtigen Ort zu sein.

Dumpfbacke, hatte natürlich mitgekriegt, dass ich unfreiwillig Zeuge des Dramas geworden war. 
Seit dem, wenn wir uns im Treppenhaus oder auf der Strasse treffen, lässt er den Kopf hängen und murmelt nur eine abgehakte Begrüssungsformel.

Zurück zu Ginger und Fred.
Ihre nächtlichen und sonntagmorgenliche Entzückensschreie und sein grollendes Lustgestöhn wandelten sich mit der Zeit in hochfrequentes Gekreische und gebrüllte Tiraden. In der Küche war jeweils nur noch einer von beiden zu sehen und die Partys mit den Freunden wurden zusehens seltener.

Einmal traf ich Fred an der Bushaltestelle. Ich sagte freundlich "Hallo" weil er ja nun ein alter Bekannter für mich war. Er jedoch, der von seiner Wohnung nicht in meine gucken konnte, da das Nachbarhaus ein paar Meter weiter unten am Hang liegt, kannte mich gar nicht und schaute mich nur missmutig an ohne zu antworten.
Ein anderes Mal traf ich Ginger im Supermarkt an der Ecke, sie hatte übrigens wirklich ein Engelsgesicht. Da ich offenbar aus meiner Begegnung mit Fred nichts gelernt hatte, sagte ich wieder "Hallo" auch sie antwortete mir nicht, schaute mich nur kurz aus traurigen Augen an und rang sich ein knappes Lächeln ab.

An einem Samstagmorgen hörte ich dann fremdartig Geräusche, hämmern und Männerstimmen die knappe Befehle gaben und schlagende Autotüren. Als ich aus dem Fenster blickte sah ich einen Möbelwagen im Hof und Möbelpacker hin und her laufen und Dinge tragen.

Ginger sass im Schlafzimmer im offen Fenster, die Füsse auf der Fensterbank, die Knie angezogen.
Sie schaute kurz zu mir hoch, ich winkte ihr. Ich glaube sie lächelte ihr Supermarktlächeln, aber das kann ich mir auch eingebildet haben, jedenfalls sie stand auf, schloss das Fenster und ging in die Tiefe der Wohnung davon.

Es ist schon so: Ich neige eben einfach dazu im falschen Moment am richtigen Ort zu sein.

Ich sah Ginger von da an allein in der Wohnung. Ich sah sie allein in der Küche kochen und allein in den Ausgang gehen am Abend. Einmal sah ich einen fremden Mann, der sie im Schlafzimmer umarmte, aber sie drückte ihn von sich weg.

Irgendjemand fällte die Esche in unserem Garten, ein grösserer Teil der  Fassade des Nachbarhauses war nun von unserem Haus aus zu sehen. 
Die Bewohner, auch Ginger, hängten sich Vorhänge an die Fenster und verbargen so ihr Leben vor der Welt. Ginger sah ich nur noch gelegentlich, durch die Zweige des alten Kirschbaumes, wenn sie ihre Vorhänge am Morgen aufzog oder schloss am Abend und beim Kochen, denn in der Küche hatte sie keine.

Nach ein paar Monaten oder es mag vielleicht länger gewesen sein, so genau kann ich mich nicht mehr erinnern, stand wieder ein Möbelwagen im Hof. 
Ich befürchtete, dass nun auch Ginger gehen würde, aber es war ein alter Mann ein paar Kartons zum Laster trug und sie fast zärtlich auf die Ladefläche stellte. 

Ich traf Ginger hier und da im Quartier und wir gewöhnten uns an beide "Hallo" zu sagen.
Ein Mal wartete ich hinter ihr in der Schlange vor der Kasse des Supermarktes.
Sie drehte sich zu mir herum und sagte: "Sie wohnen oben, nicht wahr" womit sie wohl auf das Gefälle des Hangs, an dem unsere beiden Häuser stehen, Bezug nahm, "Ich sehe Sie manchmal auf dem Balkon"
Das "Sie" gefiel mir gar nicht, aber ich war damals um die 40 und sie bestenfalls knapp über 20, also nahm ichs hin.
Jedenfalls hatte wir scheinbar, von diesem Tag an, den unausgesprochenen Deal miteinander, uns zuzuwinken wenn wir uns hinter den Fenstern oder auf dem Balkon sahen.

Es muss wohl ein paar Wochen später gewesen sein, ich hatte grad einen Riesentopf Dal gekocht und hockte mich mit einem Kafi auf den Balkon. Ginger sass wieder mit angezogenen Beinen auf der Bank des offenen Fensters. "Pass auf, dass Du nicht runterfällst" rief ich rüber.
Sie lachte und damit waren wir beim "Du". 
"Muss jetzt sowieso aufstehen und was mal was essen" rief sie zurück. 
Ich informierte sie über mein Dal, worauf hin sie sich schauspielerisch übertrieben um den Mund leckte.
So lud ich sie zum Essen  ein und war erstaunt, dass sie zusagte und 15 Minuten später an meinem Esstisch sass und Dal löffelte.

Schon immer mochte ich Menschen, die Widersprüche in sich tragen. 
Ginger, die in Wirklichkeit Patrizia hiess, aber sagte, alle würden sie nur Pritty nennen, was sie tatsächlich auch war, mampfte mit dem rot angemalten Mund in ihrem Engelsgesicht wie ein Bauarbeiter.
"Schmeckt`s Dir" fragte ich etwas scheinheilig "Mmmpf" sagte sie und grinse mit vollen Backen und "is echt prima" bevor sie den nächsten Löffel voll reinschob.

Pritty war so deutsch wie ich, kam aus Leverkusen, keine Ahnung wo das is.
Wir redeten über die Schweiz und die komischen kleinen Problemchen, hier als Deutscher zu leben, über "Fred", der im wahren Leben Frank hiess (nich so weit daneben, nicht wahr?!), den sie aber nur "Das Arschloch" nannte, der mit anderen Frauen rumgemacht hatte - unter anderem mit ihrer Freundin Simone, die das dann alles, in einem Streit mit Frank und Pritty herausbrüllte hatte, auf einer dieser Partys.

"Du musst unbedingt mal zu mir zum Essen kommen" presste sie zwischen Linsen und Gemüse hindurch, während sie das kurcumagelbe Speichelrinnsal, das dabei aus ihrem Mundwinkel floss, mit dem Handrücken wegwischte.

So sass ich ein paar Tage später in ihrer Stube, die ich von meiner Wohnung aus nie gesehen hatte. Der Raum war sparsam möbliert. Sie bemerkte meinen Blick "Der grösste Teil der Einrichtung hat dem Arschloch gehört ... hat er alles mitgenommen"
So lebten wir, nur durch den Garten getrennt, eine distanzierte Zweisamkeit, riefen uns Scherze und gelegentlich Einladungen zu.

Das Haus, in dem sie lebte, lag wirklich irgendwie "im Loch" es war düster dort unten und selbst im Sommer schaffte die Sonne es nur für zwei bis drei Stunden pro Tag es zu erreichen. 
Vielleicht deswegen, aber auch weil es gammelig war, die Vermieter es nicht pflegten und das Treppenhaus verdreckt war, weil es niemand putzte und alles ein wenig moderig roch, zogen einer um den anderen Mieter aus, so dass dann schliesslich nur noch Pritty und ein Ehepaar dort lebten.

Die Miete war für Schweizer Verhältnisse spottbillig, was bei Zustand des Hause, nicht wunderte und da ich zu der Zeit immer ein wenig knapp mit Geld war und natürlich weil ich Pritty immer lieber mochte, überlegte ich, ob ich in eine der leeren Wohnung übersiedeln sollte.
Als ich das Pritty erzählte, schüttelte sie langsam, fast traurig ihren Kopf. Sie schlug den Blick nieder, nestelte an ihren Fingern rum und sagte "mach das nicht, ich gehe bald weg und das Ehepaar drüben zieht auch aus ... dann bist Du allein in diesem alten Kasten"

Ich neige wirkich einfach dazu, im falschen Moment am richtigen Ort zu sein.

Sie zog aus ohne sich zu verabschieden an einem Tag, an dem ich nicht zuhause war. Sie war einfach weg und die, nun wieder vorhanglosen, Fenster starren mich vorwurfsvoll an. 

Das Haus unten am Hang steht leer seit dem. 
Manchmal, wenn es Abend wird und eine Windboe in den Zweigen des Kirschbaumes, dafür sorgt, mir für einen Moment einen Blick auf die oberen Etage zu geben, dann sehe ich Pritty im Fenster hocken, mit angezogenen Knien und höre sie rufen "Kommste zum Essen rüber?"

Aber ich antworte nicht mehr, damit mich meine Nachbarn nicht für verrückt halten. 
Manchmal jedoch nicke ich und winke.


Geschrieben und gepostet am Freitag dem 13. August 2021 in LU

NACHTRAG:
Heute haben sie begonnen, das Haus unten am Hang, ab zu reissen.
12.12.22