28 November, 2023

Exercising

 "Wen die Götter strafen wollen, dem erfüllen sie seine Wünsche"

Es ist Ende November, es regnet und es riecht nach Schnee.
Die Tropfen fallen langsamer als sonst, als würden sie sich drauf vorbereiten, heute in der Nacht oder morgen, ganz früh, zu kristallisieren.




An den letzten Winter kann ich mich kaum erinnern ... vielleicht weil er zu warm war, es nicht unter meinen Schuhen knirschte beim Laufen im Wald oder weil ich meine warmen Pullover heute ganz weit von unten/hinten aus dem Schrank kramen musste. 
"Dich hatte ich ja ganz vergessen" sagte ich zu einem, den ich vor ewigen Zeiten zur Schneiderin brachte und seit dem nicht mehr getragen habe.  

Vielleicht, aber auch weil einfach viel passiert ist, seit dem.

Im Mai kam die lang herbeigewünschte Pensionierung.
Wie immer so, war ich gut vorbereitet, ... dachte ich.
Mit Garten und Babysitting, mit Uni und 20%Mini-Job, mit OpaTaxi und Klimarettung glaubte ich mich gut gewappnet gegen Faulheit, Sofa und dem Tode entgegen dämmern.

Dann sass ich heute in meinem Lieblingscafé, blättere in der Zeitung rum und süffle meinen Schwarzen.


Eine Frau kam rein. Gross, dünn und in selbstgestrickte Wolle gepackt.
Sie stellte sich, mit dem Rücken vor den Tresen, presste ihren Schal vor den Mund, als ersticke sie einen Schrei.

Der Barmann sprach sie nicht an, vielleicht dachte er sie warte auf jemanden.
Aber - sie stand einfach da, ganz aufrecht, mit erhobenem Kopf und schaute, durch die hohen Bogenfenster nach draußen in den Regen, als könne sie nicht fassen was sie sah.
Sie stand lange da, bewegte sich nicht, den Schal noch immer vor dem Mund, der ganze Körper angespannt. Niemand sprach sie an, die Gäste gingen einfach um sie herum, wie man einem Baum oder einem Laternenmasten ausweicht.
Zeit schien für sie eine Angelegenheit der Anderen zu sein, nichts was mit ihr zu tun hätte.

Ich dachte an den Film "Die Zeitmaschine" von 1960 mit Rod Taylor und Yvette Mimieux.
Ähnlich wie "George" in der Maschine sitzt und zuschaut, wie Tag und Nacht, Sommer und Winter, Mode und Technik in irrwitziger Geschwindigkeit wechseln, wie Häuser gebaut werden und wieder abgerissen, so kam diese Frau mir vor, die in einer eigene Welt war, die nur so ähnlich ist wie unsere, aber einen fundamentalen Bruch, zu ihr hat.
Dann ging ein Ruck durch die Frau, sie liess das Ende des Schal fallen, sackte ein wenig in sich zusammen, wie jemand der unerwartet enttäuscht wird, drehte sich auf der Stelle zur Tür und ging hastig hinaus.

Mein Kaffee war kalt, die Zeitung interessierte mich nicht mehr, denn was ich gesehen hatte, erinnerte mich an ein Gefühl, dass ich seit Wochen mit mir trage.

Niemand sagt mir mehr, was ich zu tun habe, Nichts muss pünktlich erledigt sein, ich bin nur noch für mich verantwortlich, was ich heute nicht mache, das kann ich auch morgen machen oder nächste Woche oder ...

Darin sind die Zeiten, in denen ich dann doch Verpflichtungen übernehme, wie exotische Inseln in einem weit entfernten Archipel. Die Bewohner dieser Inseln sind alle ein wenig seltsam und wirken gestresst, oft an der Grenze dessen, was sie grad noch ertragen können. 
Vor allem aber - und ich entschuldige mich ausdrücklich bei allen die sich angesprochen fühlen ... also:
Vor allem aber - kommen sie mir alle vor wie Kinder, die mehr oder weniger hilflos ihrem Leben ausgeliefert sind.

Natürlich bin ich dabei nicht völlig ohne Selbstreflexion, denn
1. könnten ein Grossteil der Bewohner des Archipels, vom Alter her, ja wirklich meine Kinder sein
und
2. will ich mich - nach nur einem halben Jahr Rentnerdasein - hier nicht gross aufblasen, denn wer weiss schon, was noch alles kommt !

Trotzdem - mein Leben verlangsamt sich. Die Sprintstrecken werden seltener und kürzer und ich brauche nachher die mehrfache Zeit, als noch vor ein paar Jahren, um mich zu erholen.
Ich schlafe 7-8 Stunden pro Nacht und dann am Nachmittag noch mal eine halbe.


So sitze ich und schreibe wieder - das 1. Mal seit über einem Jahr, während draussen die Tropfen fallen, über die noch nicht entschieden ist, wann sie zu Flocken werden.
Die Welt ist einfach eine andere, wenn sie mit Schnee bedeckt ist.

Auch bei mir ist noch nichts entschieden.

Ich übe an einem neuen Leben und möchte den sehnsüchtig lächelnden Gesichter, die mich hoffnungsvoll fragen: 
"Na, wie ist es denn in der Pension?" 
antworten ... 
"frag mich morgen wieder!"

So, wenn ihr mich dann irgendwann in einem Café stehen seht, meinen Schal vor den Mund gepresst und aussehe, als sei ich woanders, auf einer anderen Insel als der Euren - irgendwo weit draussen, vielleicht am Rande des Südchinesischen Meeres, dann lasst mich einfach. 

Irgendwann zucke ich dann zusammen, lasse das Schalende los und gehe ...



geschrieben und gepostet am 28. Nov. 2023 irgendwo am Fusse der Alpen.

 




09 September, 2022

Sliming


2018 hab ich 12 Kg abgenommen.

Keine Diät, keine Vorsätze, keine Kontrolle.

“Nur” … eine Reise vom Atlantic zum Pacific.


Aber ich möchte hier vom Essen und Abnehmen erzählen und nicht vom Reisen.

Vielleicht  jedoch - lässt sich das nicht so einfach trennen, denn - was isst man, wenn man 3 Wochen nur im Auto sitzt und im Hotel schläft?


Es ist Teil dieses Roadmovies, das ich live drehte, in meinem Kopf, mit mir als einzigem Darsteller. 


Aber nein … !

- das ist nicht ganz richtig!! - 

... es gab doch jemanden der mich ständig begleitet:

Mein Alter Ego “Foftain”.


Foftain ist Weltbürger, ein wenig irre und antwortet, nach seiner Nationalität gefragt, wie Humphrey Bogart, in der Rolle des Barbesitzers “Rick”: 

🔗 "Im a drunkard"   🔗


Also habe ich stets eine Flasche Kentucky Straight Bourbon bei mir gehabt - damals - um mit Foftain, abends im Hotel, nicht trocken zu fallen.


Während des Tages ass ich wenig. Die Strassen waren einfach zu gerade, um anzuhalten, auch dieses Roadmovie, in mir, wollte nicht angehalten werden, für etwas so Schnödes wie Essen.


So blieb es - ganz dem Genre verpflichtet - bei einem Burger am Tag und manchmal einem Sandwich von "Subways".


Abends allein, mit Foftain, im Hotelzimmer, lag ich auf dem Bett, während er zwei Whiskey einschenkte und mich nervte mit Fragen über den den vergangenen und über den kommenden Tag, über den Sinn unserer Reise, über meine Meinung und Gedanken über die Orte die noch vor uns lagen … Alaska, Hawaii, Japan …


Darüber schlief ich dann meist ein.
Morgens erwachte ich oft mit einem Kater.
Foftain sass dann, schon leicht genervt, im Auto, wenn ich vom Frühstück - das meist nur aus einem Kafi bestand - auf den Hotelparkplatz kam. Fahren wollte er nie - nur reden und philosophieren und Whiskey trinken und gucken.

Dabei fällt mir grad jetzt auf, ich hab ihn noch nie essen sehen ... oder ich habs vergessen ... was weiss ich.


So vergingen die Zeiten wie im Rausch.


Später, auf der Fähre nach Norden - wir hatten, wohl wissend, dass die Fährgesellschaft ein staatl. Unternehmen ist, das keinen Alkohol verkaufen darf, fast 2 Liter Whiskey an Bord geschmuggelt - die für die Zeit mal so grad eben langten.


In Alaska dann: … “Business as usual … let's have a drink or two and a burger.”


Die besten Burger, auf den tausenden Kilometern, gabs übrigens in Alaska, bei Patty (Link) zwischen Glennallen und Mc Carthy und der billigste Whisky kam hier aus Kanada und an den mussten wir uns unter Opfern gewöhnen.


... ansonsten empfehle ich noch:  
Leroy's Family Restaurant 2420 C St, Anchorage, Alaska
24/7 geöffnet und dicht bei meinem Hotel 👍👍👍"Sockeye Inn"


Ich denke, das genügt, um einen Eindruck von diesen Tagen zu bekommen.

Letztlich bekam ich von der verdammten Autofahrerei einen verdammten Hexenschuss und vom verdammten Saufen einen verdammten Brummschädel - fast jeden Morgen.


ABER … als ich auf Kauaii in die Notaufnahme musste, wegen der Rückenschmerzen, da wurde ich gewogen 

(die USA-Ärzte sind gründlich … und teuer ... $600 für 30 Min Arbeit und eine Injektion gegen die Schmerzen) 

80 kg rechnete ich die Pfundangabe im Kopf um, die die Waage anzeigte.

"Your shitty scales is out of order" sagte ich ziemlich “deutsch” zur Krankenschwester, die aus Mannheim kam, wie ich grad anschliessen erfuhr. 

“Spinn nich rum Mann” war die Antwort.


Ich hatte also 12 kg abgenommen, in knapp 2 Monaten - ohne irgendwas zu tun dafür. Nur Saufen und Burger essen.


Das Whiskeysaufen habe ich mir inzwischen abgewöhnt, denn einerseits ist mir mein klarer Verstand lieber als der Suffkopp, andererseits kann man so, im europäischen Alltagsleben, bestenfalls eine Bauchlandung hinlegen.

Das Burgeressen habe ich mir nicht abgewöhnt. Aber inzwischen sind meine Burgers vegetarisch und weniger Mainstream … eher prakmatisch-amerikanisch.

Zwei Scheiben Brot, selbstgemachte Patties, aus Gemüse, die ich auf Vorrat produziere, homemade Ketchups und Saucen - oder doch mindestens in Glasflaschen gekauft - dazu frische Zwiebel- und Tomatenscheiben.


Das hört sich doch ganz gut an, findest Du ?!


So oder so … ich hab inzwischen wieder 8 Kg zugenommen und das Leben ist nicht mehr auch nur halb so spannend


 - wie dort - 


  • hinter dem Lenkrad,  irgendwo zwischen Sioux Falls und Kooskia; 

  • am Hotelfenster über dem Güterbahnhof von Whittier; 

  • in der Bar des “Panama Hotel” in Seattles "JapanTown" …


… und manchmal fehlt mir mein Saufkumpel Foftain.
Ich habe gehört, er hat jemanden geschwängert - und ist solide geworden.


“Scheisse Mann!!” 

ich sags ja: 

das Leben, es zerbröselt!''




geschrieben Anfang September 2022 / gepostet am 9.9. 2022 in einem Café

15 August, 2022

Homecoming



Erster Versuch

Was ist Heimat?

Is das nur ein an den Haaren herbeigezogener Begriff.

War Heimat mal etwas, etwas anderes, als wir es heute deuten - nach all diesen Heimatfilmchen mit Herzschmerz und DumpfDödelDummMusik - verballhornt - verballermannt - verloren?

Oder ist Heimat in den Zeiten des globalen Exzesses ein Anachronismus?

So anachronistisch wie die Ehe - die manchmal funktioniert - aber meistens eher nicht.


Die Ehe ist und bleibt die wichtigste Entdeckungsreise, die der Mensch unternehmen kann.

  • Sören Kierkegaard


Das kann man schon so sehen, Herr Kierkegaard - aber ich kann aus dem Stegreif mind. drei Entdeckungsreisen nennen, die mit Mann und Maus drauf gegangen sind.


Heimat und Ehe … bei beiden geht es wohl um den Glauben.

Was ich aber vom Glauben halte - das weiss die regelmässige Leserschaft genau. Zum Glück bin ich nicht allein damit … aus leider gegebenem Anlass ein Zitat:

  

In dem Moment, in dem Du sagst, dass irgendein Ideensystem heilig ist, sei es ein religiöses Glaubenssystem oder eine säkulare Ideologie, in dem Moment, in dem Du eine Reihe von Ideen für immun gegen Kritik, Satire, Spott oder Verachtung erklären, wird die Gedankenfreiheit unmöglich.


  • Salman Rushdie



Was ist Heimat also?

Ein Glauben - der nicht angegriffen werden darf?

Ein Gefühl - das man hat oder auch nicht?


Ich fange die Geschichte doch lieber anders an!


Zweiter Versuch

“Ich bin da daheim, wo die Menschen sind, die ich liebe”

Also mache ich mich nicht abhängig von der “Scholle”, der Landschaft, der Gegend, der Nation - sondern weil das ja viel einfacher ist - von den Menschen. (ja, Sarkasmus!)


Nach - ich weiss wirklich nicht mehr, nach wie vielen - Beziehungen, nach so vielen Liebesschwüren, kann ich Euch ganz entspannt versichern - 90% davon gehen den Bach runter.


Ganz hinten - in der letzten Bank - des imaginären Vorlesungssaales erhebt sich ein fiktiver, dürrer, pickliger Junge von vielleicht 18 oder 19 Jahren.

Er hebt zaghaft die Hand und beginnt zu sprechen, laut mit unsicherer Stimme:

“Du klingst sehr desillusioniert - was ist passiert, seit Du so alt warst wie ich jetzt” 

Ich rücke meine Brille zurecht, versuche ihn besser zu sehen, damit ich weiss mit wem ich rede.
Es fühlt sich für einen Moment lang an, als schlage mir jemand ins Gesicht, mit der flachen Hand, mit voller Kraft. Meine Ohren gellen, meine Augen versuchen aus den Höhlen zu quellen und mein Hirn klingt wie ein debiles Orchester - laut und schrill und kakophonisch.
Das bin ich selber - da in der letzten Reihe - ich erkenne mich, sogar das Hemd, das der Junge trägt, war mal meines.

Was soll ich mir selber antworten? 

Eine Lüge, einen ​​Euphemismus, Drumrumgerede, eigentlich alles ausser der Wahrheit, würde er sofort enttäuscht zur Kenntnis nehmen und sich schweigend abwenden.

Aber die Wahrheit kenne ich nicht!

So rufe ich ihm zu: 

“Ich weiss es nicht, mein Lieber …” und um zu verhindern, dass er mir entgleitet: “ich weiss es noch nicht … vielleicht irgendwann … später … // … Zeit … // … ich brauch noch Zeit!”


ZERBRÖSELN ist das Wort, welches mir einfällt.
Ich ahne warum wir Menschen nicht wie die Quallen*, in den Oceanen unendlich alt werden, ein ständiger Wechsel zwischen Larve und Meduse.

Ich ahne, dass das Mass an Begegnungen, Erlebnissen und Lieben, der Fundus an Glück und Unglück, der Wechsel der Zeiten, der Werte, der Generationen … ich fürchte, das hat ein Maximum, dann läuft es über, brennt an, verklumpt, wird braun und ungenießbar, bildet tödlichen Plaque der die Organe und das Hirn überzieht … das kann auch der gesündeste Schlaf nicht mehr kompensieren.


Also - Zerbröseln:

Um mich herum beginnen die Dinge zu zerbröseln.

Ich selbst wohl sowieso .


Eine Freundin sagte: “Das war`s … es ist vorbei!"

Ich kann sie nicht trösten …
“Ja, meine Liebe … so Manches geht vorbei - auch die guten Tage”
… denn auch sie würde, alles was nicht die Wahrheit ist, sofort herausfiltern und mir das Filtrat vor die Füsse knallen.


Dritter Versuch

Nach vielen Jahren sah ich heute mein Elternhaus wieder.

Dort leben nun Menschen, die ich nicht kenne.

Zwei Jahrzehnte hab ich dort verbracht mit meiner Familie, meine Kindheit, meine Schulzeit, meine Jugend, meine Pubertät, den Anfang meines Erwachsen- und Berufslebens.

Der Garten, den meine Eltern hüteten und liebten, ist nun ein Parkplatz, der Rasen, den mein Vater wöchentlich am Samstag mähte und ein paar mal im Jahr harkte und lüftete ist unter Pflastersteinen der übelsten Sorte begraben.

Ich stieg nicht mal aus dem Auto.

Schaute und empfand ein “Schade” und “was für eine Verschwendung”


Das war mal meine Heimat, hier verbrachte ich die ersten Jahre mit der ersten Liebe. Nichts ist davon geblieben - ein paar Mauern, ein Dach - der Rest ist Erinnerung.


Letztlich ist mein Leben wie eine Wanderung, ich kann mich nicht an jede Biegung und Abzweigung erinnern, aber darum geht es auch gar nicht.

Das Ziel der Wanderung ist klar, wenn auch nicht herbeigesehnt.

Ich werde irgendwann sterben.

Dann muss ich loslassen - das Schwerste was es los zu lassen gibt:
Mich selbst.


Jetzt weiss ich, was ich dem dürren pickligen Jungen antworten kann.

“Ich habe angefangen los zu lassen!!” 

… brülle ich durch den ausgedachten Hörsaal.


Aber er ist wohl schon gegangen.


Ganz zum Schluss

Auch weil ich -Euch- nicht ohne Trost gehen lassen möchte - ein anderes Zitat:


"Alles Seiende ist ein Anfang"

Hinduistische Grundannahme




geschrieben und gepostet irgendwo in den Tiefen des Sauerlandes am 15.8. 2022


23 Juli, 2022

Shopping


Wenn man älter wird, dann gewöhnt man sich komische Sachen an, 

und regt sich schnell mal über die Dummheit dieser Welt auf.

Na, ich jedenfalls!


Zum Beispiel:

Ich finde stabile Einwegverpackungen aus Plastik viel zu schade zum Wegwerfen.


Da hat ein/e Designer/In wochenlang drüber gebrütet, ein/e Chemiker:in hat ein Rezept für die richtige Materialmischung ausgetüftelt, ein/e Maschinenbauer/In hat eine Form dafür entworfen, ein/e Werkzeugmacher:In hat daraus ein Werkzeug gemacht und irgend ein armes, völlig unterbezahltes Helferlein hat dann das Zeug in der Maschine hergestellt.


Ich benutze das ganze dann, von dem Moment an, in dem ich es im Supermarkt kaufe bis es leer ist und werfe es dann in den Müll.


WIE HIRNLOS IST DAS DENN??


Als nächstes kommt die Müllwerkerin, die alles sortenrein sortiert, um von ihrem mageren Gehalt die Miete zu zahlen und nach einer 8 Std.-Schicht in den zweiten Job geht, um die Lebensmittel, die wieder in Wegwerfverpackungen eingepackt sind, zu kaufen ...


… UND IRGENDEIN RIESENARSCHLOCH KAUFT SICH FÜR DEN GEWINN AUS DEM GANZEN SPIELCHEN, DANN EIN RIESENAUTO, DAS 15 LITER AUF 100 KM BRAUCHT UND DAS ER, BEI NÄCHSTER GELEGENHEIT, VERSCHÄRBELT, FÜR DAS NEUERE MODELL.


O.K. - jetzt war ich grad wieder genervt.


Aber fragt mal die Leute von "Last Generation", die sich mit Superglue auf dem Asphalt einer Autobahn festkleben - ob die vielleicht auch - ein wenig genervt sind!!

Also mich müsste man schon ziemlich doll nerven, bevor ich mich wo ran klebe.

Das friedliche Gelaber können wir getrost den Politikern der Parteien überlassen.
Die haben das voll drauf.


Jetzt reg ich mich ja schon wieder auf … shit!!


O.K. - was kann ich tun.
Ich glaub für eine Revolution bin ich zu alt. 

Mich wo ran kleben - is auch nicht wirklich meins.


Aber was ich kann ist motzen und mich selber ändern - darin bin ich echt gut.


Was ich aber eigentlich erzählen wollte, ist was Anderes.

Fangen wir also noch mal von vorne an:


Wenn man älter wird, dann gewöhnt man sich komische Sachen an, 

und regt sich schnell mal über die Dummheit dieser Welt auf.


Zum Beispiel …

… hab ich mir angewöhnt, jedes Teil, dass ich im Supermarkt kaufen möchte oder muss, in die Hand zu nehmen und zu überlegen, WER das mit WELCHEM Aufwand und was für einer Art von ROHSTOFFEN hergestellt hat und WOHER das kommt. 

Die wichtigsten beiden Fragen jedoch sind:

1. BRAUCHE ich das wirklich

2. wie sieht diese VERPACKUNG in 5 Jahren aus


Nochmal zum Beispiel: 

Erdbeeren aus Peru, im Dezember, in einer Pastikverpackung, die ein/e Arbeiter:In in Vietnam hergestellt hat, zu kaufen, ist eher - suboptimal

*(ihr seht, ich kann auch ganz ruhig bleiben und reg mich gar nicht auf)

… hingegen …

… im September unverpackte Äpfel vom Bodensee - das macht irgendwie Spass.

… und niemand muss sich deswegen aufregen oder sich wo dran kleben.


Also zurück in den Supermarkt.

Ja, es gibt unverpacktes Waschmittel zu kaufen!
Das kostet aber ca. doppelt so viel wie das Zeug in der Plastikflasche.
Darum muss ich dafür länger arbeiten und irgendein Riesenarschloch kauft für den Gewinn seiner Tussi einen Wintermantel aus echten Nerzfellen … 
… ich höre lieber auf, bevor ich mich wieder aufrege!


So kaufe ich brav das billige Waschmittel im COOP.

Aber wenn das leer ist, dann steh ich wieder mit der Plastikflasche da.

Über der ein/e Designer/In wochenlang gebrütet hat … ähm …

da waren wir schon mal, gell!?


Egal!

Was ich eigentlich sagen will, ist wirklich einfach:


Ich schalte im Supermarkt meine Gefühle und Gelüste auf 
“ AUS ” 
und meinen Verstand auf 
“ EIN ”
Das ist viel einfacher als man gemeinhin glaubt !!





Kleines Intermezzo:

Ganz hinten, in den spärlich besetzten, fiktiven Bänken, meiner total imaginären Zuhörerschaft, erhebt sich eine gedachte  junge Frau und ruft laut durch den riesigen hypothetischen Vorlesungssaal: 

“Ich finde Du machst Dir zu viele Gedanken!”

Aber mal ehrlich - unsere Probleme kommen nicht daher, dass wir uns zu viele Gedanken machen -

eher werden sie wohl vom Gegenteil generiert.

So rufe ich, quer durch holographischen Saal, der, meiner Phantasie entsprungenen jungen Frau, zu: 

“Halt einfach die Klappe und mach, dass du raus kommst!!” 



Ich sollte mich wohl wirklich nicht so schnell nerven lassen !


Um gerecht zu sein - diese Imagination funktioniert genauso gut mit einem jungen Mann oder einem alten Trottel - eigentlich funktioniert sie mit rund 80% der Vollidiot:Innen auf diesem Planeten.


Oje --- jetzt bin ich schon wieder genervt … !!


So sagte der junge Sanitärinstallateur, der mir gestern einen neuen Wasserhahn montiert hat und mit dem ich anschliessend, bei einem Glas kalten Wassers, ein wenig philosophierte: 

“Das Problem ist, dass wir alle immer nur an uns selber denken”


Tja ... es gibt eben doch, so um die 20% der Menschheit, 

über die ich mich nicht aufregen möchte ... 

… das beruhigt mich ein wenig.


Auch ja … die leere Plastikflasche vom Waschmittel ... sieht jetzt so aus:


Upcycling !!







22 Juli, 2022

Annoying




Ich geb ja zu, dass ich schnell genervt bin!

Nachdem nun nach dem 2. Starkregen zum 2.x der Gullideckel im Trottoir gegenüber hochgeknallt ist wie ein Sektkorken und ich die Feuerwehr anrufen musste, weil das Scheissding etwa 70 Kg wiegt - sonst hätt ichs selber gemacht.


Die Feuerwehr ist schnell hier. Obwohl sie wegen des - eben - Starkregens sicher genug zu tun hatten, waren sie in 9 Minuten da … ein 4 m tiefes Loch im Bürgersteig ist ja nun auch nicht eben sinnvoll.



Ich geb ja zu, dass ich schnell genervt bin!


Kurz bevor die Feuerwehr kam:

Zwei plappernde Kids kamen die Strasse runter und achteten auf reineweg garnichts.

Ich so: “ Ehy passt auf, da is `n Loch in der Strasse”

Die so: “hä?”

Ich so: “macht mal die Augen auf”

Die so: “halt die Fresse Alter” (war`n wohl deutsche Kinder)

Letztlich haben sies dann doch gesehen und haben sich drum rum geschlichen - natürlich nicht ohne lange Hälse zu machen und reinzuschielen.

Statt einem “Danke” bekam ich einen Stinkefinger - ich mag die Kids von heute!


Ich geb ja zu, dass ich schnell genervt bin!


Heute am Morgen hab ich dann das Tiefbauamt angerufen.

Die waren an dem Thema etwa so interessiert wie die Kuh an Maschinenbaukunde.


So ziemlich stinksauer hab ich dann nochmal die Feuerwehr angerufen.

Sie haben mich, nachdem ich erklärt hatte wie toll schnell sie da waren, als der Deckel aufschwamm, grad mit ihrem Feuerwehrhauptmann (der heisst wirklich so!) verbunden.

Ich hab ihm die Situation und mein Telefonat mit der “Tiefbau-Kuh” geschildert.

Er hat nicht viel gesagt ausser: “ich kümmere mich drum”


Als ich 30 Min. später losgehe um mein Auto aus der Garage zu holen, stehen zwei Typen am Gullydeckel, neben ihnen ein Gemeindeauto.

Als ich sie ansprach, waren sie ein wenig kleinlaut, der Feuerwehrhauptmann habe angerufen und Klartext geredet. Sie wüssten es ja schon lange, aber nun … nun müssten sie aktiv werden.


Ich geb ja zu, dass ich schnell genervt bin!


“Jep - dass müssen Sie - den Feuerwehrhauptmann hab übrigens ich angerufen”

Sie wurden noch ein wenig mehr kleinlaut - peinliches Schweigen (mir war`s nicht peinlich)


Dann, wie immer so "ABER"…

Das Lieblingswort von Leuten die bequem sind.
ABER - wenn sie den Deckel so verriegeln, dass er nicht mehr hochfliegt bei Starkregen, dann, ja dann würde die Abwasserleitung überlastet.


“Wie wärs mit einem Deckel mit Schlitzen oder Löchern?” fragte ich scheinheilig “dann kann da Wasser raus, aber niemand kann reinfallen!”

Das Schweigen wurde noch ein wenig stiller - man hörte die Vögel zwitschern und den Flügelschlag der Schmetterlinge und in der Ferne heulte ein Kojote.


“ja - vielleicht - das könnte man -- ev. in Betracht ziehen”


Ich geb ja zu, dass ich schnell genervt bin!

“IDIOTEN!!” hab ich nicht gesagt … schliesslich sind wir ja in der Schweiz!


Dann, nicht mal ne Stunde später kam folgende Mail vom Tiefbauamt:

“Zur Info: Am kommenden Dienstag wird ein Termin mit dem Baumeister vor Ort erfolgen um die Situation zu entschärfen. 

Der Schacht muss ertüchtig werden sodass ein verschraubter Deckel installiert werden kann, der wiederum eine feste Verbindung zum Unterbau hat. 

Der Deckel selber wird Öffnungen haben.”

Nachtrag: 
Heute dann der Termin Baumeister und Tiefbauamt



















Geht doch!!


So läuft das in der Schweiz, wenn Du unten anfängst zu graben, dann fällt Dir der Dreck auf den Kopf. Wenn Du aber von oben an die Sache rangehst, dann plötzlich steppt hier am Dienstag der Bär auf dem Trottoir.


Da kann einem doch der Deckel hochknallen wie ein Sektkorken ...


… aber ich bin schnell genervt, ja???!!
… na zu Glück!