07 April, 2020

Soliloquizing


Das südchinesische Meer Richtung Westen
Auf der anderen Seite von Iriomote ist der Pacific, nur eine kurze Reise mit dem Autobus für ¥380 = 3,50 CHF

Während ich heute auftauchte aus dem nächtlichen inneren Ocean, blieb der geträumte Traum noch eine Weile bei mir. 
Es war nicht grad ein Alptraum gewesen, jedoch schön war er auch nicht. 
Ich träumte mich selber in einem Gespräch, ich kann mich nicht erinnern mit wem, oder in welcher Situation. Das Gespräch entgleiste immer mehr, ich redete Zeugs daher, dass nicht im Geringsten wiedergab, was ich wirklich dachte, nichts mit meinen Gefühlen zu tun hatte und für das ich mich, ehrlich gesagt schon im Traum schämte.

Während ich also wacher und wacher wurde, mein Tagesverstand sich langsam aus dem Morgengrau freistrampelte, fragte ich mich, was dieser Traum, besonders mein Verhalten in ihm, bedeutete. 

Eigentlich aber weiss ich es … denn ein Traum liefert auch immer ein Gefühl oder eine Ahnung von dem, um das es geht.


Nun habe ich seit 4 Tagen Ferien, sitze wegen dem Corona-Kack mehrheitlich allein daheim, sehe nur ab und zu mal die Frau an der COOP-Kasse oder meine Nachbarin zu einem kleinen Schwatz durchs Küchenfenster.

Regelmäßig ist der Beginn der Ferien eine Krisenzeit. Plötzlich ist die Arbeit weg und --- besonders in der jetzigen Weltlage --- nur noch "ICH" bin da. 
Keine Struktur, keine Anforderungen, kaum ein Gegenüber.

Ich lebe in den Tag hinein, krame Dies und Das in meiner Wohnung rum, mehr ziellos als planvoll. Wie geht's weiter? Mit mir allein mit mir?
So gab deieser Traum einfach wieder wie's mir geht: ich redete ohne Hand und Fuss, so wie ich ohne Hand und Fuss lebe. 

ABER

Nun wäre ich aber eben nicht ich, wenn ich nicht , nach all den vielen Jahren, einen Plan hätte.

Natürlich kommt mir meine Erfahrung aus anderen Ferien zugute, obwohl ich dann nicht immer allein war, so wie jetzt. Was mich aber wirklich unterstützt, sind die Erinnerungen und Lernprozesse aus meinen Alleinreisen, besonders die einsamen Wochen auf den Südjapanischen Inseln.

Damals, da war ich bereits seit fast 3 Wochen auf Okinawa und Ishigaki *) allein gewesen, hatte ein Haus auf der winzigen Insel Iriomote, keine 200 Km vor der Küste Taiwans gemietet, für 14 Tage und musste einen Weg mit mir selber finden. 

Ich konnte mit niemandem reden, teils weil einfach niemand da war, teils, dann wenn jemand da war, gab es keine gemeinsame Sprache, nur ein paar Handzeichen und viel Schulterzucken.

Iriomote bezaubernd schön ...



... und sehr einsam!


Es ist schwer, an den wunderbarsten Stränden dieses Planeten, allein herum zu hängen.
Das macht irgendwie einfach nicht glücklich, wenn niemand da ist, der “Guck mal” sagt oder “so`n Blödsinn” oder “wie schön”, niemand der findet, ich solle nicht so viel Sake trinken oder der mit mir hier-und/oder-dort unbedingt hin will - auch wenn mich das voll ödet.
Was ich also brauchte war Kommunikation - nicht mal besonders intelligent musste sie sein - einfach Kommunikation und fertig.

So begann ich also - ganz bewusst- mit mir selber laut zu reden.
Das machte mir am Anfang aber auch gehörig Angst und ich dachte, ich würde wohl irre.
Aber dann bemerkte ich,  dass meine Selbstgespräche immer sinnvoller wurden.
Vom anfänglichen Belanglosigkeiten wie “man is das aber schön hier” oder “na, was kaufe ich denn mal ein?” kam ich langsam zu Sätzen wie 
“O.K. meine Lieber, was brauchst Du heute um glücklich zu sein?”
“Ein Mofa hätte ich gern um die Insel zu erkunden, auf eigene Faust” kam völlig unvermittelt als Antwort. So kam ich tatsächlich zu einer kleinen, gemieteten 50ccm Yamaha und das Leben machte plötzlich wieder Spass.

Iriomote ist wunderschön, seht ihr den winzigen weissen senkrechten Strich, etwas oberhalb der Mitte im Übergang des linken zum mittleren Bilddrittel? Das ist ein fast 90m hoher Wasserfall ... und solche gibt es sehr viele dort.
n
... und immer wieder sehr japanisch
Indem ich wirklich mit mir selber sprach und es mich ehrlich interessierte, was mir gut tun würde, kamen Wünsche, Bewusstsein und Strukturen.
Es waren oft kleine Wünsche oder Ideen - manchmal in Form von Handlungsanweisungen, wie - “google mal Japanische Architektur” oder “ich suche mir eine Muschel um sie um den Hals zu tragen”.

Mir schien das damals als eine Art von Menschwerdung … oder WiederMenschWerdung.
… eben: “Am Anfang war das Wort”

Ich begann, wirklich beeindruckt davon, mehr oder weniger zusammenhangslos auf zu schreiben, was mir gut tat. 

Ich nannte dieses Textstück:


Alone in space 

Lass Dich eine Weile zw. Schlaf und Wachheit pendeln
vergegenwärtige Dir Deine Nachtträume
siehe wie der Tag erwacht
stehe auf wenn es Dich danach gelüstet
leg dich wieder hin wenn es ein irrtum war
koche Dir kafi
trinke langsam
schau nach dem Wetter
schaue lange aus dem Fenster
"was willst Du heut tun"
frag dich nochmals “was willst du heut tun?”
tue was Du Dir vorgenommen hast!
tue es … langsam und bedächtig mit schwebender Aufmerksamkeit 
Sei Dein bester Freund!
und mache Pausen und Nickerchen
bedanke Dich bei Dir selber für einen schönen Tag
Lerne daraus:
Du brauchst Zeit um runter zu kommen, gib Dir diese Zeit.
Du wirst Dich einsam fühlen, Du wirst verzweifelt sein, Du wirst schlecht schlafen.
ABER ... Du musst das tun, was Du Dir vorgenommen hast.


Hört sich nicht tiefschürfend an, nicht wahr!?
Das Wunder lag darin, dass es funktioniert.
Vielleicht funktioniert das nur bei mir ... kann durchaus sein!
Aber wer weiss!

Heute denke ich gern an diese Tage auf Iriomote zurück, mit Dankbarkeit und ein wenig Sehnsucht nach dem Ocean und der selbstbestimmten Zeit.



*) auf Ishigaki gab es Etwas ... das das Alleinsein massiv durchbrach ... aber das, das ist eine andere Geschichte.



Geschrieben auf meinem Sofa während vor der Balkontüre der Kirschbaum zu blühen beginnt
Dienstag 7. März 2020