08 März, 2019

Looping


Beim Looping hat der Pilot keine direkten Anhaltspunkte, er braucht daher viel Erfahrung um die Figur korrekt zu fliegen. Der Looping ist eine der einfachsten, zugleich aber auch eine der schwierigsten Kunstflugfiguren.


"Was passiert bei einer Schreibblockade?" 
"Nichts" knurrte ich mit rollenden Augen. 

"Dás ist nicht ganz richtig." mischte sich dazumal meine weise Sofalehne ins Selbstgespräch ein.
"Dás stimmt!" antworte ich ihr  … tatsächlich passiert in diesen innig verwünschten Zeiten viel zu viel, aber nix Gutes … … oder wollen wir gerecht sein! … einfach nicht das Richtige. 

So generierten der Tot eines geliebten Menschen und die vier Monate Auszeit und Reise, im letzten Jahr, ein schwarzes Loch in mir. 
Zurückgekehrt implodiere meine gewohnte Welt ... unspektakulär und in Zeitlupe. 
Es gab dementsprechend keinen Knall, kein plötzliches Geräusch, sondern ein tiefes drohendes Dröhnen das sich durch meine Tage und Nächte schob, wie der Eisberg im nächtlichen Ocean während er langsam die Stahlplatten der Titanic aufschlitzt.
Wie ein Eisberg war auch ich im Alltag, die Nase so grad eben über Wasser, währenddessen 6/7 von mir in die unergründliche Tiefe hinab hingen. 
Keine Ideen, keine Ladung, kein Gestern und kein Morgen. Einfach irgendwie funktionieren, ständig navigierend über`m Namen- und Bodenlosen. 

Nun war ich zum Glück professionell genug um zu bemerken: 
"... da komm ich allein nicht wieder raus." 
Sogar meine weise Sofalehne war keine echte Hilfe mehr. Auch sie schien in einer Krise zu stecken. 

Heute sagt man nicht mehr Therapie... das hört sich schnell mal nach Vollklatsche an. 

Es war ... und meine erfahrenen Leser wissen, wenn ich das so deutlich sage, dann stimmt's auch ... es war wirklich keine Therapie.
Nennen wir es Support oder Coaching ... wie es mein Coach nennen würde weiss ich nicht ... ich fürchte aber sie ... ja SIE ! ... grinst wenn sie dies liest ... "ja und ...?!" ... zitiere ich sie angesichts dessen hier.   *1
So erfuhr ich, das ich keineswegs verrückt geworden war, jedenfalls nicht verrückter als die Schweizer und Deutschen so im Mittel. 
Vielleicht ein wenig sensibel und alt geworden ... oder einfach zu viel erlebt ... wer weiss!

Schon seit Wochen ging es mit mir eigentlich deutlich bergauf, doch den letzten Bogen fand ich nicht. Die Verwirrung und die Trauer blieben zwar still, waren aber immer noch da, hockten in der Ecke wie zwei räudige, halb verhungerte Köter, die auf die Gelegenheit warten, zu zuschnappen.

Jedenfalls, ans Schreiben wagte ich mich nicht. 
Tatsächlich hatte ich bereits begonnen Lotto zu spielen, hatte mich über meine Möglichkeiten zur Frühverrentung informiert oder dran gedacht mein Geld auf einen Haufen zu kratzen und nach Indien ab zu hauen um meine letzten Jahre in Meditation und Einkehr und … so dachte ich ... nein, so hoffte ich ... in innerem Frieden zu verbringen. 
Dann, heute kam mir, ganz unerwartet meine scheinbar so missglückt Reise zur Hilfe. 
Ich dachte an meine wochenlanges Alleinsein auf den Südjapanischen Inseln. 
Das war Einkehr genug … echte Einsamkeit … Ich total ... Ich pur …
"Ist es das, was Du suchst?" meldete sich meine Sofalehne unvermittelt aus dem Off.

Nach einem halben Jahr voller Arbeit holte mich vorgestern mit einem hörbaren und fühlbaren Knacken meine Wirbelsäule aus dieser Phase. 
Da sitze ich also da, auf meinem Sofa angelehnt an meine weise Sofalehne, hab Rückenschmerzen ... und schreibe!



Dabei kommt mir Clint Eastwood 
in den Sinn, in seiner Rolle als Inspector Harry Callahan, genannt "Dirty Harry", der, nachdem er grad einen von den bösen Jungs abgeknallt hat, 
mit einem säuerlichen Grinsen sagt: 
"Ich bin zu alt für diese Scheisse" 
und dann trotzdem weiter macht ... 
und den Fall löst.




*1 Übrigens gibt es laut Duden die "Coachin" ... O.K. ... heut ist Frauentag und ich lass mal sprachlich Fünfe grade sein.


Geschrieben und gepostet am 8. März 2019 in Luzern