Was selbst einige meiner besten Freunde nicht ĂĽber mich wissen, ist, dass ich in den 90ern des letzten Jahrhunderts eine Ausbildung in Hypnose machte.
"Sterben muss ich, sonst gar nichts"
Die erste Geschichte … natürlich weiss ich auch mal wieder nicht, wo und von wem ich sie erzählt bekam.
EntĂŁo: (portuguĂŞs)
Irgendwo in den Weiten des Mittleren Westens trieb sich der Agent einer Ă–lfirma rum.
Das mag vielleicht so in den 30ern des letzten Jahrhunderts gewesen sein.
Er machte geologische Untersuchungen, Probebohrungen und schrieb Berichte an seine Auftraggeber.
Ein Gebiet schien ihm besonders vielversprechend zu sein, alle seine Ergebnisse deuteten auf Erdöl im Untergrund hin. So besuchte er die weit auseinander liegenden Farmen in der Umgebung um mal auszuloten, ob die Besitzer ihr Land verkaufen würden … und wenn “ja” … zu welchem Preis.
Dazu muss man noch wissen, dass es ein paar trockene Sommer gegeben hatte, die Ernten entsprechend mager ausgefallen waren und einige Farmer an der Grenze ihrer Möglichkeiten angekommen waren.
Der Agent war nicht eben ein Menschenfreund, so versuchte er die Leute dazu zu ĂĽberreden weit unter Wert ihr Land herzugeben.
Einer der Farmer, den er versuchte einzuseifen, bat ihn, ihm doch mal zu zeigen, warum er sein Land kaufen wolle, denn es war so trocken, dass es eher an eine Steppe erinnerte als an etwas von dem ein Mensch leben könnte.
So ritten die beiden bis sie zu einem der provisorischen und hastig errichteten Bohrtürme kamen, den der Agent dort installiert hatte. Er erklärte dem Farmer, dass in der weiteren Umgebung etwas Wertvolles gefunden worden sei, aber nicht auf dem Land des Farmers. Zum Beweis zeigte er ihm etwas von dem schwarzen, öligen Schlamm, den der Bohrer nach oben befördert hatte.
“Sehen Sie!” sagte der Agent zum Farmer “Nur schmieriger Schlamm da unten - kann man nicht brauchen”
Er täuschte ihm weiterhin vor, er brauche sein Land nur um eine Strasse drüber zu bauen um das Wertvolle, das er in anderen Gegenden gefunden hatte, abzutransportieren.
“Aber Sie müssen nicht verkaufen … es ist ein so weites Land, ich kann meine Strasse auch woanders bauen - Ihre Entscheidung”
Der Farmer nickte und sie kehrten um.
Unterwegs, auf einem HĂĽgel, hielt der Farmer sein Pferd an und als der Agent neben ihm zu stehen kam, streckte der Farmer seinen Arm aus, und liess die Hand ĂĽber den Horizont streichen.
“Ja” sagte er “Sie haben Recht, das ist wahrlich ein sehr weites Land”
Dann sah er dem Agenten fadengerade in die Augen
“Können sie sich eigentlich vorstellen, wie lange es dauert, hier eine Leiche zu finden?”
Der Agent reiste noch am selben Tag ab und ward nie wieder gesehen.
Es kamen ein paar Sommer mit genügend Regen und ein paar Winter mit nicht all zu großer Kälte.
Oops … die Geschichte ist viel länger geworden, als ich sie in Erinnerung hatte.
So wird halt mit Leuten verfahren, die versuchen andere über den Löffel zu barbieren.
Womit wir bei der zweiten Geschichte angekommen sind.
Also:
Es gab Zeiten, da waren viele Leute arm - so arm, dass es bei einigen von ihnen kaum bis gar kein Geld gab im Haushalt. Sie lebten von dem was das Land so her gab - und das war nicht immer eben ĂĽppig und - wie die kleine Geschichte zuvor gezeigt hat - auch nicht jedes Jahr gleich viel.
Wenn es denn mal mehr gab als sofort aufgegessen werden musste, um einfach am Leben zu bleiben, dann verkauften die Menschen das auf dem Markt.
So kamen ein paar MĂĽnzen fĂĽr den Notfall ins Haus.
Manchmal wurde der Notgroschen versoffen oder manchmal musste jemand zum Doktor oder es brauchte im Winter ein paar warme Schuhe.
1. Intermezzo (portuguĂŞs e alemĂŁo)
Als der erste Bartwuchs einen dürren, unregelmäßigen Flaum in mein Gesicht hinterliess, ich aber nicht so recht entscheiden konnte, ob ich stolz war oder mich davor gruselte, beendete meine Grossmutter das, indem sie sagte ich solle mich rasieren, denn ich sähe aus wie ein Strauchdieb.
Weiter mit der Geschichte …
Als dann bei den Leuten etwas mehr Geld ins Haus kam … leider nicht bei allen gleich viel … da kauften die Frauen sich schöne Kleider und die Schuhe waren nicht nur mehr dazu da, sich im Winter die Füsse warm zu halten.
Die Männer, die sich bis dahin den Bart mit ihren Handwerkszeugen, z.B. der Schere zum scheren der Schafe, stutzen oder einfach mit einem Messer … gingen nun zum Barbier im Dorf.
2. Intermezzo
Nicht lange nachdem meine Grossmutter so gesprochen hatte, fuhr ich mit Freunden nach Portugal. Dort sah ich zum ersten Mal, wie sich Männer beim Barbier rasieren liessen.
Ich setze mich dazu. Die Männer hörten auf zu reden, guckten mich an, wie man jemanden anschauen würde, der einfach in irgendein Haus reingeht und sich mit der Familie dort völlig selbstverständlich vor den Fernseher setzt oder an den Esstisch.
Nun sind die Portugiesen recht friedfertige und gastfreundliche Menschen. Sie liessen mich - ausser, dass sie mich mit einem gelegentlich Blick beäugten - in Ruhe.
Ich liess mich rasieren und Haare schneiden - mal abgesehen davon, dass niemand dort wohl Deutsch oder Englisch konnte und ich - claro que não - Portugiesisch - hätte wohl niemand mit mir gesprochen. Das war sehr unangenehm - ich war eindeutig wo reingeplatzt.
A história continua … Weiter mit der Geschichte …
Die Männer wurden ein wenig zu Herren, zunächst noch selber verblüfft, ob der mit Pomade nach hinten gestrählten Frisur, dem neuen, grauen Anzug, den die Frau befürwortet hatte und mit einem samtenen Slips um den glatt rasierten Hals, gewöhnten sie sich daran, sich täglich rasieren zu lassen und ein Schwätzchen mit den Kollegen auf der Wartebank zu halten während der Barbier sie einseifte.
Am Freitag liessen sie sich allwöchentlich die Haare schneiden und um sich nachher in der Bar alle wieder zu treffen auf ein oder zwei Gläschen Vinho Verde. Jeder kannte jeden und sie scherzten und foppten sich und führten ernsthafte Gespräche über Olivenbäume, Ziegen und Frauen.
Nach den mageren Jahren machten sie nun Pläne, jeder für sich und manchmal ein paar von ihnen miteinander. Eine eingeschworene Gemeinschaft. Der Laden des Barbiers und die Bar wurden die Umschlagplätz für Gedanken, Meinungen, Geburtsorte für Intrigen und Freundschaften oder Fehden, Markt für Gerüchte und grossartige Neuigkeiten aus fernen Ländern, für Halbwahrheiten und glatte Lügen.
Wer jetzt noch geschoren wie ein Schaf, mit zerzaustem Bart und wirrem Haar sich blicken liess, der zeigte deutlich, dass er entweder nicht von “hier” war oder ein armer Hund geblieben war.
Auf “Solche” sahen sie nun herab, Solche die sie noch in dieser oder doch letztens der vorherigen Generation selber gewesen waren. Solche durften nicht mitreden, nicht mitlachen, nicht den Kellnerinen, die letztes Jahr aus der Stadt hergekommen waren, nachgucken. Die Gespräche wurden leiser, die Blicke heimlicher, wenn ein “Solcher” sich an einen der Tische setzte.
Einmal - niemand spricht gern darüber - darum weiss ich auch nicht wann es war, da kam ein “Solcher” zum Barbier, liess sich einseifen und rasieren und die Haare schneiden und trank anschliessend in der Bar ein wenig zu viel, quatschte die Herren in den grauen Anzügen an, neckte die Kellnerinnen und wurde gesehen, wie er die ehrenwerte Tochter eines der neuen Herren auf der Strasse gegrüsst hatte.
Ein paar Tage später stand ein Auto von der Polizei im Dorf.
Ein Mann aus der weiteren Umgebung des Dorfes sei verschwunden, er war zuletzt vor der Bar gesehen worden, ein wenig zu betrunken und von zwei von den Herren untergehakt gewesen.
Diese sagten aus, ihn zu seinem Eselskarre gebracht zu haben, mit dem er dann langsam aber zielstrebig das Dorf verlassen habe.
Den Karren fanden die Polizisten zerschmettert am Fuss eines Abhanges, von Mann und Esel fehlte jede Spur. Sie wurde nie wieder irgendwo gesehen … weder der Mann noch der Esel.
“Wollte wohl auch ein Herr sein, der Strauchdieb” sagte der Barbier und spuckte auf den Boden.
Inzwischen gibt es eigentlich keine Barbiere mehr.
Diese besondere Welt ist in einer Flut von Elektro- und Einwegrasierern untergegangen.
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Foto aus dem Spielfilm-Juwel „Marketa Lazarová“ |
Strauchdiebe gibts noch immer - zum GlĂĽck.
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Bild von der Website des CERN |
Eigentlich entsteht dann einen Geschichte, wenn Ereignisse miteinander kollidieren.
Also lasst uns ĂĽber das Kollidieren reden!
Ausgangslage:
Das ist wie in diesem grossen Teilchenbeschleuniger, dem CERN, unter der Stadt Genf.
Wenn man vermutet, dass es Teilchen gibt, berechnet man sie und philosophiert darüber, aber das beweist noch gar nix … alles pure Theorie.
Also macht man ein Experiment und jagt, umhĂĽllt von gewaltigen Magnetfeldern, atomare Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit aufeinander zu und guckt mal was so passiert wenn sie aufeinander krachen.
Auf den Monitoren sieht man dann farbige Kurven der entstanden Bosonen oder Quarks oder Neutrinos oder wie das Zeugs sonst so heiĂźen mag.
Ganz ähnlich entstehen Geschichten.
Auch dabei muss man Teile, in dem Fall Ereignisse, miteinander kollidieren lassen.
Erste Geschichte:
- EINE THEATERBĂśHNE
- ALS KULISSE EINE LĂ„NGLICHE AUSTELLUNGSHALLE EINES MUSEUMS
- AN DEN WĂ„NDEN Ă–LBILDER UND MARMORBĂśSTEN AUF SOCKELN
Ein älterer Mann in Morgenmantel und Pantoffeln sitzt auf einem Stuhl und sinniert offenbar vor sich hin.
Das geht so einen Weile, nix passiert.
Das Publikum beginnt sich zu langweilen - räuspern, Sitze knaacken, hier und da ein Seufzer, dann getuschelte Gespräche.
Eine Tapetentür, die bis eben verborgen war, öffnet sich langsam. Vorsichtig schaut eine eine sehr junge, schöne Frau in Halle hinein, bevor sie die Türe ganz öffnet. Sie kommt langsam herein, nur mit einem gelben Bikini bekleidet und einem Gips am Bein humpelt sie an einer Krücke an dem Mann vorbei, begrüsst ihn beiläufig mit einem flüchtigen „Guten Tag“ wie man es zu einem Fremden sagen würde, setzt sich neben ihn auf einen freien Stuhl. Die beiden reden kein weiteres Wort miteinander. Stille!
Niemand im Publikum tuschelt mehr, keine Räuspern, kein Knaaken der Sitze.
„Päng-Bumm“ die Kollision hat stattgefunden.
Auf den Gesichtern des Publikums sieht man farbige Kurven der Ratlosigkeit, des Zweifels und hier und da … ein blassblaues Lächeln.
Für die Leser:Innen, die jetzt noch mögen, gibt es eine weitere Geschichte, die nur auf den ersten Blick nix mit der vorherigen zu tun hat.
Folgende zweite Geschichte ist „nur“ nacherzählt:
Es lebten ein Bauer und seinen Hausfrau in einem kleinen Haus zwischen ihren Feldern und Weiden.
Der Bauer bauerte den lieben langen Tag draussen herum und die Hausfrau wirtschaftete derweil im Haus.
Beide hatten doch recht zu tun und so dachten sie, es wäre gut, sie bekämen ein Kind, das ihnen später, wenn sie älter würden und nicht mehr so flink wären, zur Hand gehen könnte.
Da beide vernünftige und praktisch veranlagte Leute waren, kam so ungefähr neun Monate später ein Knabe auf die Welt.
Die Mutter lamentierte ein wenig, hatte sie doch auf ein Mädchen gehofft, dass sie im Haushalt anlernen könnte. „Oh was für ein Unglück“ murmelte sie „nun werde ich den Haushalt weiter allein bewältigen müssen“ Ihr Mann aber beruhigte sie: „Ob Glück oder Unglück - das weiss man heute noch nicht“
Tatsächlich stellte sich der Knabe recht geschickt bei der Landarbeit an und bereits als er 16 Jahre alt war, nahm er dem Vater den grössten Teil der Arbeit ab, so dass dieser der Hausfrau im Haushalt helfen konnte.
Die Eltern waren so glücklich darüber, das die Mutter rief: „Oh was für ein Glück wir mit diesem Jungen haben.“ Ihr Mann aber sagte: „Ob Glück oder Unglück - das weiss man heute noch nicht“. Jedenfalls schenkten sie, in ihrer Freude, dem Jungen ein Pferd.
Eines Tages, obwohl der Junge ein guter Reiter geworden war, fiel er vom Pferd und brach sich beide Beine.
„Oh was für ein Unglück“ rief die Mutter. Ihr Mann aber beruhigte sie: „Ob Glück oder Unglück - das weiss man heute noch nicht“
Ein paar Tage später kamen Soldaten durchs Land, die nach jungen Männern Ausschau hielten, um sie in die Armee des Kaisers zu pressen. Sie trieben die Burschen zusammen, banden ihnen ein Seil um die Hälse und nahmen sie mit.
Den Sohn des Bauern und der Hausfrau konnten sie jedoch nicht mitnehmen, denn wer kann schon mit zwei gebrochenen Beinen und einem Seil am Hals laufen.
Die Frau wollte grad jubeln darĂĽber, doch sie gedachte der Worte ihres Mannes und alle drei schwiegen still.
Es geht weiterhin um Kollisionen !
Die dritte Geschichte ist sehr kurz, eigentlich nur ein einziger Satz:
"ALLES SEIENDE IST EIN ANFANG"
Obwohl alle drei Geschichten zusammengehören, das vermute ich jedenfalls ohne es berechnet zu haben und ohne all zu übermässig darüber zu philosophieren, weiss ich nicht so recht wie ich es beweisen soll.
So bleibt mir nichts, als einen Katalysator zu benutzen, der die Reaktion, zwischen den aufeinanderprallenden Teilen, beschleunigt.
Ich schliesse also meine Augen und entspanne meinen Geist, während die junge Frau im Bikini an ihrer Krücke aufsteht, dem Alten ohne Worte den Rücken kehrt, durch die lange Halle des Museums hinab humpelt und ganz in der Ferne durch eine andere, bisher verborgende, Tapententür verschwindet.
/Schnitt/
Der Sohn des Bauern und der Hausfrau findet an einem nebligkalten Morgen ein leicht bekleidetes Mädchen mit einem gebrochenen Bein auf einer seiner Wiesen.
Er nimmt sie mit heim und stellt sie seinen Eltern vor.
„Oh was für ein Glü …“
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Die Geschichte(n) entstanden nach und nach während 2 Wochen mit Rückenschmerzen, oberhalb der schmerzenden Stelle.
Heute dann -17.5. 2021- habe ich versucht die BruchstĂĽcke zusammenzuschweissen.
Manchmal, wenn sich jemand über mich beschwert und leider muss ich sagen, oft haben sie nicht unrecht damit, dann witzle ich rum, dass sie mich ja nur ein paar Stunden oder Tage aushalten müssten, ich selber jedoch, mir Tag und Nacht ausgesetzt wäre. Nun ist es aber wirklich nur ein Scherz, denn so unangenehm finde ich mich eigentlich gar nicht und wenn ich denn mal genug hab von mir, dann kann ich ja immer noch jemand anderem auf den Wecker gehen.
Was selbst einige meiner besten Freunde nicht wissen, ist, dass ich in den Neunzigern zwei Schauspielausbildungen machte.
Die Erste war Bestandteil einer Ausbildung zum Körpertherapeuten. Ich tappe sozusagen so ganz nebenbei in sie hinein und, obwohl ich nicht gerade grosses Talent zeigte, machte es mir doch Spass, in die Rollen zu schlüpfen und mal nicht nur Ich-selber zu sein.
Die Zweite jedoch suchte ich mir ganz bewusst, nahm regelrecht Unterricht in Schauspiel und Regiearbeit, jeden Samstag von 9:00 bis 16:00, in einer Gruppe von vielleicht acht SchĂĽlern, probten wir und trafen uns unter der Woche noch zu zweit oder dritt, ohne unsere Lehrerin, um uns in unsere Rollen einzufinden.
ZurĂĽck zum Schauspiel.
Obwohl ich nie auf einer richtigen Bühne vor richtigem Publikum, oder in einem richtigen Theater spielte und nie Geld damit verdiente, bekam ich doch recht schnell einen Einblick in das was Schauspieler so tuen und können - kurz gesagt eine klare Vorstellung über den Kern des Handwerks.
Nun ist es mit der Schauspielerei genau so wie mit jedem anderen Beruf, es gibt Talente, die mit etwas Fleiss und Ausdauer es zu verdienter Anerkennung bringen und es gibt Solche, die ohne diese drei Fähigkeiten bestenfalls ein schiefes Grinsen bei den Zuschauern hervorbringen.
Mit dem Schauspielern war es fĂĽr mich ein wenig wie mit dem Saufen.
Bis ich mit 16 Jahren in die Lehre kam, trank ich gar keinen oder wenn dann nur aus Verzweiflung, Alkohol - ich muss wohl nicht betonen, dass 16 ein Alter ist, in dem ein dĂĽrrer, pickliger Junge, der mit seiner ersten unerwiderten Liebe konfrontiert ist, jeden Grund hat verzweifelt zu sein.
Als ich dann in die Lehre kam, meine Tage in der Werksatt oder auf Baustellen verbrachte, nötigten mir die Kunden oder die Arbeitskollegen immer wieder ein Bier auf und im Winter - wegen der Kälte versteht sich - noch das eine oder andere Schnäpschen.
Innerlich und äusserlich noch ein schlaksiger und unsicherer Bengel, der kaum einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen wagte, verhalf mir der Alkohol zu einer ausreichenden Portion Humor und Schlagfertigkeit, dass ich mich, nach und nach, in die Erwachsenenwelt einlebte, hinlänglich Anerkennung bekam und doch wenigstens ein wenig Spass im Umgang mit anderen Menschen fand.
ZurĂĽck zum Schauspiel.
Wie gesagt, stolperte ich in die erste Schauspielausbildung so nolens volens hinein. Ähnlich meiner Erfahrungen mit dem Alkohol, nahm ich die Bühnenarbeit zuerst nur mit Angst und Ablehnung an. Dann aber - mit den ersten milden Erfolgen - kam eine gewisse Trunkenheit über mich, die etwas von der Lust am Risiko in sich trug, aber ebenso den Genuss des inneren Wandels von meinem AlltagsIch zu einem Irren oder einem König einer Katze oder einem Kind.
Es ging nicht so sehr darum, mich selber los zu sein, sondern, eher wie eine Schlange mich zu häuten und die alte Haut abzustreifen und die neue, geschmeidige, fremde und noch feuchte Haut der Rolle auszuprobieren. Es hatte etwas von Loslassen, Vergehen und wieder neu Werden.
Denn wir alle haben verschiedene Rollen in uns und sind so viel mehr als nur das eine Individuum, für das wir uns irgendwann mal, aus Gründen der Bequemlichkeit oder der vorhanden Möglichkeiten entschieden haben und als das wir jeden Tag aufstehen und in die Welt hinaus gehen.
Gib dem Idioten in Dir Raum, dem Löwen, dem Tolpatsch, dem Buchhalter und dem Abenteurer, sei Huckleberry Finn oder Spiderman, eine Tunte oder die Tante, der Direktor eines Grosskonzerns oder Van Gough.
Sehe und spüre Gelüste und Triebe in Dir nach oben schwimmen, von denen Du keine Ahnung hattest oder gib ein gekonnt-legeres “Na und!?” zurück, in einer Situation nach der Dein AlltagsIch verzweifelt nächtlang wach liegen würde.
Heute, ĂĽber 20 Jahre nach diesen Tagen in diesen vier Sommern, die ich auf der BĂĽhne verbrachte, heute, lange nach diesen Zeiten, in denen Ich nicht immer Ich sein musste und wollte, retten mir meine Erfahrungen von damals immer wieder Mal den Arsch.
Der Ausbilder bei dem ich die damals Körpertherapie lernte und der mein erster Schauspiellehrer, war, sagte immer: “Für diese Ausbildung gibt es keine Medaillen, sondern bestenfalls Strafzettel.”
Es ist wohl so, manchmal bin ich für andere nur schwer auszuhalten, aber ich kann, wenn ich will, auch anders - und darin - in dieser meiner Wahl - existiert eine Freiheit, die so endlos ist wie der Himmel über der Prärie.
Geschrieben in einem Rutsch ohne lange nachzudenken am 27. Feb. 2021 auf meinem Sofa
Am Anfang war das Wort:
fluchte ich, als mir mein Dal anbrannte, weil ich mich von meiner SĂĽssen ablenken liess.
Aber die Ebendiese kritisierte mich sofort.
Ich wĂĽrde ja doch eigentlich an keinen Gott glauben, sagte sie, aber fluchen wĂĽrde ich schon in seinem Namen ?!
Man achte auf die beiden (?!) abschließenden Satzzeichen oben und füge einen scharfen, verhörartigen Unterton hinzu … … ja, etwa so.
So stehe ich fassungslos … und ich meine "fassungslos" im Sinne von emotionaler Ratlosigkeit … vor dem Phänomen, dass Menschen … sehr viele Menschen … also eigentlich fast alle, an irgendeinen Gott glauben.
Bei meinem Wort: ich kann das nicht nachvollziehen, wie kann ein normal begabter Mensch sich einbilden, da wäre ein “ES” oder Irgendwas sonst, das er verehren oder anbeten oder sich Rat dort holen müsste.
Natürlich muss ich ein paar Erklärungen abgeben zu diesem Thema.
1. Die Religion, die mir am wenigsten gegen den Strich geht, ist der Buddhismus. Denn hier gibt es keinen Gott, sondern eigentlich nur Weisheiten, die Buddha durch Meditation und innere Einkehr formulieren konnte und gegen Weisheit kann man ja nun nix einwenden. Gegen die Zeremonien auch nicht … aber die sind - erproptermaßen - nicht meines.
2. Das Andere sind alle Naturreligionen die keinen Gott anbeten, sondern sich einfach an den Gegebenheiten des Außen orientieren. Ein Berg wird als eine Wesenheit gesehen … was er de facto ja auch ist. Es ist ein aus unserer Erde gewachsenes Gebilde durch Kontinentalverschiebung, Vulkanismus und Erosion geformt, auf dem ein durch Evolution entstandenes stark verknüpftes Netz von Lebewesen miteinander interagiert und von dem Wasserdampf aufsteigt und Bäche herunter fliessen, die hier oder dort wieder zur Erosion beitragen und Pflanzen tränkt.
Das wars dann aber auch schon mit meinem Verständnis für Religionen.
Wie ich also corona- und ferienbedingt so auf meinem Sofa liege und mich an seine weise Rückenlehne kuschele ist es … nach ein paar Stunden … in denen ich wohl ab und zu einschlief und wieder erwachte … völlig unbeeinträchtigt von irgendwelchem Müssen oder Wollen … dass mir der Verdacht kommt, dass die Menschen sich so weit entfernt haben von dieser Wesenheit der Weisheit des buddhistischen und der Wesenheit eines Berges, das ihnen jedes Unglück erscheinen muss wie etwas Fremdes, dass unverdientermassen über sie hereinbricht. Sie könnten sich nicht mehr in einen Zusammenhang stellen mit den Unbilden des Seins, mit dem Vergehen, den Schmerzen und dem Leid, dass zum Leben gehört wie der Tod, der irgendwann beides beendet. Schlimmer noch, sie wollen nicht mal für ihr Denken und Handeln und dessen Folgen die Rechenschaft übernehmen, auch dies scheinen ihnen oftmals als ein Unglück, das ausserhalb ihrer Reichweite und Verantwortung liegt.
Da macht sich so eine Gottheit, der man die Schuld geben kann, wenn die Ernte verwüstet wird oder ein geliebter Mensch stirbt gut … da man, in dieser tatsächlich furchtbar schmerzhaften Situation, gern jemanden hat, den man verantwortlich machen kann.
Wer aber eignet sich dafĂĽr besser als eine erfundene Person?
Denn der Nachbar wĂĽrde sich wehren gegen solcherlei VorwĂĽrfe (so er denn unschuldig ist) der Onkel aus dem Nachbardorf ebenso.
Also erschafft man sich Einen der das alles verursacht.
Das hat mehrere Vorteile:
wie dargestellt, ist man selber damit nicht schuld
kann hat man ein Erklärungsmodell gefunden für Vorkommnisse auf die man selber keinen Einfluss hat
kann man versuchen mit der imaginären Person zu verhandeln, das nennt man dann beten oder dem Es Opfer bringen.
man kann, so die Bete- und Opferei denn Erfolg hat und das wird sie irgendwann nach der Wahrscheinlichkeitstheorie haben mĂĽssen, dankbar sein und das Beste hoffen fĂĽr die Zukunft und immer brav weiter beten und opfern.
Nun hat die Sache aber einen kleinen Haken:
Wenn denn dieses “ES” immer an allem Schuld ist, dann wird der Mensch natürlich irgendwann stinksauer auf das verdammte Miststück und wird den Teufel (auch so ein “ES”) tun, den imaginären Drecksack weiter anbeten oder ihm gar das beste Schaf zu opfern. Sondern Mensch beginnt ihn zu hassen und der Hass - wie übrigens auch im richtigen Leben, also auch ohne eine imaginäre Person, wird sich ausbreiten und zur Pest werden. Wilhelm Reich nennt es die “emotionale Pest”
… aber bleiben wir mal einfach:
Ein “ES” da oben (oder da unten) kann nicht existieren … in unserer Einbildung … wenn es nur böse ist.
Was tut also der nicht so kluge wie er denkt Mensch?
Er bastelt um das “ES” herum eine Art von mystischem Gesamtzusammenhang.
Es ist ein strafendes “ES”, aber “ES” belohnt das dümmliche Menschlein auch, wenn es Dies oder Das tut oder lässt.
Bim Bam Bumm … fertig ist das religiöse Gebäude, in dem sich prima leben lässt.
Aber wie alles in diesem Universum, es geht nix verloren.
Schuld kann man zwar wegschieben zu jemand anderem, sogar zu jemanden den es nicht gibt, aber sie kommt zurück, umgeformt in die Schuldigkeit gegenüber der ausgedachten Gottheit … aber das scheint dem Menschlein doch noch lieber zu sein, als die Verantwortung ganz zu sich zu nehmen.
Zum Kotzen oder ?!
Da mich das immer auch an die Konstellation Mami und Papi erinnert, dieses imaginäre Wesen mit seinem Konstrukt aus Bestrafen und Belohnen oder dem wohligen Gefühl, alles richtig gemacht zu haben, wenn es denn mal alles gut gegangen ist, das mag man gern meiner Erziehung und Kultur anlasten. Aber ich fürchte, da ist meine Erziehung und unsere Kultur nicht die Einzige.
Das sich überdies ein paar fette Schweinebacken aufgrund der gut Gläubigkeit (ja liebes Rechtschreibprogramm das ist so Recht) bereichern, steht auf einem anderen Blatt oder ist eine Fußnote, die sich aufzugreifen sicher gut anfühlen würden … aber nicht jetzt.
Nun also habe ich mich ein wenig in Rage geschrieben.
Kommen wir zurĂĽck auf mein Sofa und dessen weise RĂĽckenlehne.
Wie ich also da so liege - irgendwo zwischen Schlaf und Wachheit - die Ereignisse der letzten Woche an mir vorüber ziehen, wie Wolken am Himmel bei einer angenehmen Brise, wird mir klar, was ich eigentlich so tue um mein Leben zu bewältigen.
Dazu muss ich aber leider nochmals ein wenig ausholen in meine Vergangenheit.
Einer der ersten Sätze die ich je sprach, jedenfalls nach übereinstimmenden Aussagen meiner Eltern und Großeltern war: “leine matten” das heisst aus der Kindersprache übersetzt:
“Allein machen”.
Mein Vater hat das halb im Scherz, aber auch wohl halb mit Schmerz bis zu seinem Tod immer mal wieder betont, dass ich sehr früh begann mich gegen die elterliche Fürsorge … und damit meine ich vor allem die emotionale Fürsorge, das Betüdeln, wie man in Norddeutschland sagt, oder das dann auch das unnötig Eingreifende und damit Übergriffige, aufzulehnen.
Der Rückschluss, dass mir mein Töpfchen und die damit einhergehenden Strategien meiner Eltern verhasst waren und ich deswegen tatsächlich außergewöhnlich früh stubenrein war, ist nun eine gewagte Vermutung meinerseits, aber diese ist anhand meines weiteren Werdegangs nicht so einfach von der Hand zu weisen.
Jedenfalls bestand ich sehr früh drauf, meine “Geschäfte” eigenständig zu erledigen und das ist bis heute - und jetzt dann meine ich alle Geschäfte - so geblieben.
FĂĽr deren Abwicklung brauche ich sicher manchmal Hilfe - die ich mir auch selber organisiere - aber verantwortlich fĂĽr das was klappt, aber auch den Mist der oft dabei rauskommt, trage ich bewusst ganz allein.
Dafür muss ich weder ein imaginäres “ES” bemühen noch muss ich beten - ausser mal zu mir selber - “Oh Mann ich wünschte ich wäre nicht so blöd” zum Beispiel … noch muss ich dafür irgendwas oder irgendwen opfern … ausser vielleicht meine Zeit … aber mal ehrlich:
Die läuft auch ohne das weiter und irgendwann AB.
Während ich das also so im Halbschlaf alles vor mich hin denke, schlagen sich die religiösen Idioten dieser Welt gegenseitig die Schädel ein, weil der Eine an das “ES 1.1” glaubt und der Andere an das “ES 1.2”.
Das wäre mir ja eigentlich wurscht, wenn sie sich gegenseitig umbringen, die Deppen, jeden Tag ein paar weniger von Denen, das würde mich enorm beruhigen ... und ... natürlich meldet sich just dazu jemand aus der hinteren Sitzreihe und brüllt mich durch den Saal an:
"Verdammter menschenverachtender Fatalist".
Ich aber, der ich noch nie jemandem wegen seines Glaubens umgebracht habe und das auch nicht vorhabe, muss mir das von den Deppen (ich hab mich wohl auf diese Bezeichnung eingeschossen) nicht sagen lassen.
Wo waren wir?
Ach ja! Solange sich die Deppen nur gegenseitig abschlachten, wäre mir das Einerlei. Aber wenn sie dann auch noch Menschen umbringen, die mit dem ganzen GötterHirnWichse gar nix zu tun haben wollen, die einfach nur ihr Leben leben möchten, dann ... ja dann ... werde ich richtig sauer.
So tendiere ich dazu, fast ganz zum Schluss, ein mir passend scheinendes Zitat von
Kara Ben Nemsi (*1) hervor zu nehmen:
“Allah hat ihnen ihre Schädel mit Kamelmist gefüllt”
Das ist gut gemeint von Herrn Ben Nemsi, aber es kommt noch dicker.
Wenn ja alle diese Gottesanbeter/Innen wenigstens dumm wären, dann könnte ich ja milde über sie lächeln oder ihnen im Ernstfall mal die Leviten lesen. Leider ist es aber so, dass sie oft gar nicht dumm sind, sondern eigentlich ernstzunehmende, manchmal sogar recht liebenswerte Menschen.
Nur das gelingt mir, mit jedem Tag schlechter, - und nun je älter ich werde - wohl bald gar nicht mehr:
Sie ernst zu nehmen, in ihrer endlosen hirn- und herzverhängenden Verwirrung.